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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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schlug.
    »Meine treuen Diener, die Oberen«, fuhr der Mann mit dem Silberhelm indessen fort, »haben versucht, meine Kraft zu mehren. Sie hatten dabei viele Widerstände zu überwinden, und manch einer von ihnen ließ im Kampf für eure Zukunft sein Leben.«
    Ob er wohl selbst glaubte, was er da erzählte? Möglicherweise gaukelte der Greifenzauber dem Besessenen vor, dass er den Pilgern tatsächlich zu einem besseren Leben verhalf. Wenn Rorn eines im Laufe seines an Kämpfen und Entbehrungen reichen Lebens gelernt hatte, dann, dass Täuschungszauber besser wirkten, wenn die Menschen gerne daran glauben wollten .
    Während Silberhaupt weitere Worthülsen aneinanderreihte, begann die Blutkette erneut zu glänzen. Der daraufhin hinter der Empore anwachsende Regenbogen stand wohl damit in Verbindung. Eine auf so engem Raum auftretende Luftspiegelung konnte unmöglich natürlichen Ursprungs sein.
    »Doch auch geschwächt sind wir noch stark!«, schrie der Gesichtslose in der roten Robe auf. »Und wir wissen um Möglichkeiten, uns die fehlenden Kräfte auf andere Weise zu verschaffen!«
    Jonars Stimme verfiel plötzlich in einen bisher unbekannten, von grollenden Knurrlauten untermalten Tonfall. Rorn hätte dem kaum Bedeutung beigemessen, hätte dabei die Blutjade um den Hals des Geifernden nicht heller aufgeleuchtet als je zuvor. Neben ihm schrie Venea leise auf. Als er sie ansah, wusste er auch warum.
    Aus ihrer Gürteltasche drang ein roter Schimmer hervor. Hadiks Blutjade reagierte auf das Pulsieren der Steine, die Jonar besaß. War es möglich, dass seine bloße Gegenwart Silberhaupts Macht mehrte?
    So viel zu Schattenmutters Weisheit und ihren großartigen Ideen.
    Venea, deren Hexenkräfte sie empfindsam für alle magischen Schwingungen machte, schwitzte, als hätte sie Fieber. Ein dichtes Netz aus Schweißperlen bedeckte ihre Stirn. Trotz der Anstrengungen, die es sie kostete, wölbte sie ihre Rechte über der Gürteltasche und wirkte auf sie ein. Winzige Lichtbögen blitzten in den Augen der Schlangenarmbänder auf. Wie kleine Elmsfeuer jagten sie ihren Handrücken herab und woben zwischen den Fingerspitzen ein weißblaues Lichtpolster, das den roten Schimmer zunächst einhüllte und schließlich zurückdrängte.
    Rorn, der Grimmschnitter schon halb zur Scheide heraus hatte, sah sich doch nicht gezwungen, die sie von allen Seiten einkeilenden Pilger auf Abstand zu bringen. Als Silberhaupt von einem Kraftzuwachs gesprochen hatte, war er nicht an Hadiks Stein interessiert gewesen, sondern hatte dabei etwas ganz anderes im Sinn gehabt.
    In den Händen des Silberhauptes ruhte plötzlich ein Ritualmesser mit langer, spitz zulaufender Klinge sowie einem protzigen Knauf, in dem ein großer Stein aus Schattenjade eingefasst war. Noch ehe jemand begriff, was er damit vorhatte, richtete er den Stahl gegen sich selbst. Die Spitze genau auf Höhe seines Herzens ansetzend umfasste er den Griff mit beiden Händen und rammte sich den Opferdolch selbst bis zum Heft in die Brust.
    Blut sprudelte aus der Wunde hervor. Es pulsierte im Schlag des hämmernden Herzens und besprühte die ersten Reihen der Zuschauer. Niemand schrie oder sprach ein Wort des Entsetzens, nur das Röcheln des Sterbenden erfüllte den Platz. Trotz der eigentlich sofort tödlichen Verletzung zerrte sich Jonar den Helm vom Kopf.
    Sein Blick irrte verwirrt umher, gleichzeitig fehlte seinen Augen der entrückte Glanz, der sie in der Zyklopenhöhle ausgezeichnet hatte. Erst jetzt, im Angesicht des nahen Todes, schien er wieder gänzlich er selbst zu sein. Zu spät, um noch zu begreifen, was eigentlich vor sich ging.
    Der schwarze Knauf des Opferdolches färbte sich langsam rot. Schon nach wenigen Atemzügen, in denen Jonar blau im Gesicht anlief, pulsierte die neu geschaffene Blutjade im selben Rhythmus wie die Steine der Kette.
    Magnus Jonar, einst Silberhaupt genannt, kippte vorneüber. Ohne die Möglichkeit, sich abzustützen, schlug er zuerst mit dem Knauf auf. Zwei Rippen brachen unter dem Druck des noch tiefer eindringenden Heftes.
    Gleichzeitig begann die Luft über dem Toten zu knistern.
    Rorn mochte kaum glauben, was da unterhalb des Regenbogens Gestalt annahm, obwohl ihn Venea über die Unterschiede zwischen Leu, Gryff und Greifen aufgeklärt hatte. Selbst die Hexe stöhnte angewidert auf, als die Umrisse eines mit Flügeln versehenen Löwenmenschen deutlich hervortraten. Trotz seiner grotesken Missgestalt strahlte er etwas durch und durch

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