Bannstreiter
ihn das.
»Darum, Bannstreiter, höre zur Belohnung eine Warnung! Über viele Jahrhunderte wurden die Urkräfte in feste Bahnen gezwängt und zum einseitigen Vorteil der Baroser missbraucht. Doch seitdem du die Vorherrschaft der Jademeister gebrochen hast, strömen sie mit aller Macht zurück ins Gleichgewicht. Das setzt nicht nur vagabundierende Magie frei, nein, das Beben im ewigen Gefüge war so stark, dass dadurch Risse entstanden. Die Siegel von Myandor, sie drohen nun zu brechen! Hüte dich vor dem Geschlecht der Greifen, die zurück ins Diesseits streben.«
Die immer leiser verklingenden Worte verwirrten Rorn mehr, als dass sie ihn vor etwas warnten. »Die Greifen?«, staunte er. »Die sind doch seit Ewigkeiten tot, sie sind kaum mehr als eine Legende.«
»Nein, sie sind nicht tot!« Hardemars Stimme klang eindringlich, obwohl sie immer unverständlicher wurde. »Nur hinter den Zeiten verborgen. Sie …«
Was immer der Iskander noch sagen wollte, verwehte so leise in weiter Ferne, dass es einfach nicht mehr zu verstehen war. Selbst als Rorn sein linkes Ohr ganz nah an Veneas Lippen hielt, konnte er nichts vernehmen.
»Was sagst du da?«, rief er aufgeregt. »Ich kann dich nicht mehr hören!«
Statt einer Antwort erntete er zunächst nur einen verwirrten Blick.
»Das ist doch kein Grund, mich so anzuschreien!«, empörte sich die Hexe in ihrer eigenen, leicht melodiösen Stimme. Der kurze Moment, den sie wie in Trance verbracht hatte, schien ihr gar nicht bewusst zu sein. Sichtlich darüber erschrocken, Rorn so dicht vor sich zu sehen, fügte sie hinzu: »Was wollte ich eben sagen?« Fröstelnd rieb sie sich über ihre nackten Arme. »Wahrscheinlich nur, dass es ein Fehler war, dir meinen Mantel zu überlassen!« Bei diesen Worten streckte sie die rechte Hand aus, um ihr wärmendes Kleidungsstück zurückzufordern. »Mir ist entsetzlich kalt.«
Rorn fixierte sie einen Moment mit strengem Blick, um sicherzugehen, dass sie ihm nichts vorspielte. Aber sie schien tatsächlich keinerlei Erinnerung daran zu haben, dass eine ruhelose Seele von ihr Besitz ergriffen hatte. Vermutlich war es den magischen Strömen zu verdanken, die Venea ihren Jadesteinen einverleibt hatte, dass dieser Hardemar Besitz von ihr ergreifen konnte.
Rorn überlegte kurz, ob er der Hexe von dem unheimlichen Ereignis erzählen sollte, entschied sich dann aber dafür, ihr den Umhang wortlos in die Hände zu drücken. Trotz des fahlen Mondlichts entdeckte Venea die Stelle, mit der er sich die blutige Stirn abgewischt hatte.
Tadelnd hielt sie den besudelten Zipfel in die Höhe.
»Zaubere ihn dir doch sauber, Jadeträgerin«, empfahl Rorn mürrisch. »Du hast dich doch gerade erst mit neuen Kräften versorgt.«
»Jadeträgerin!« Ein spöttisches Lächeln umspielte ihre geschwungenen Lippen, als sie seinen verächtlichen Tonfall imitierte. »Männer haben mich schon weitaus Schlimmeres genannt.«
Statt seinem Ratschlag zu folgen, wickelte sie ihren Umhang zusammen, sodass die verschmutzte Stelle im Inneren des Ballens verschwand. Sie war also klug genug, keine Magie für Dinge zu verschwenden, die sich auf normale Weise bewältigen ließen.
»Gib mir deinen Mantel, bis wir wieder in der Schenke sind«, verlangte sie von Rorn. »Immerhin habe ich deine Wunde geheilt, du Held.«
Sie zitterte bereits in der kalten Nachtluft, darum tat er ihr den Gefallen. Das war ihm lieber, als dass sie sich mit Hilfe ihrer Schattenjade vor dem schneidenden Wind schützte. Danach nahm er Grimmschnitter an sich.
Baos Hand hatte sich um den Schwertgriff verkrampft. Rorn musste jeden Finger des Toten einzeln brechen, bevor er die Klinge zurück in die Scheide stecken konnte. Auf dem Stahl zeichnete sich nicht die geringste Entladung ab. Die Nebelwandler gehörten endgültig der Vergangenheit an.
Venea half Rorn dabei, die Leichen von Bao und Gosk unter einen Baum zu betten, damit sie nicht länger auf dem Weg herumlagen. Die Bergbewohner sollten die beiden später so aufbahren, wie sie es für richtig hielten.
Gemeinsam kehrten die Hexe und der Krieger in den Kreuzkrug zurück.
Hermok und seine Gäste ahnten bereits, dass es die Hirten nicht überlebt hatten. Veit, der mit verheulten Augen am Schanktisch saß, hatte schon vom bisherigen Kampfverlauf berichtet. Obwohl es keinen offenen Jubel über das Ende der Nebelreiter gab, machte sich doch eine allgemeine Erleichterung breit.
Rorn nutzte die Gelegenheit, um den Menschen des Nebelbruchs ins Gewissen
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