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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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nicht gefährlich werden«, unterbrach sie ihn. »Du hast es doch draußen gesehen. Mir wurde kein einziges Haar gekrümmt, trotzdem habe ich bekommen, was ich wollte. Mit deiner Hilfe natürlich, das muss ich zugeben.« Ihr schelmischer, von leisem Kichern begleiteter Unterton war wieder zu vernehmen. »Dafür sollst du auch eine Belohnung erhalten.«
    Sie war wirklich eine verdammt gute Hexe. Nicht einmal die Anspielung auf die Schattenjade konnte noch seinen Zorn entfachen. Ja, sogar die Erinnerung an die Toten begann langsam zu verblassen.
    »Bao und Gosk«, stammelte er trotzdem.
    »Vergiss sie! Wenn je zwei Kerle zu sterben verdient haben, dann die beiden.«
    »Aber wegen Grimmschnitter sind auch schon viele Unschuldige zu Tode gekommen.«
    »Nicht, wenn ich in der Nähe bin.« Aus ihrer Stimme sprach kein Hochmut, sondern eine tiefe Überzeugung, die Rorn allerdings nicht teilte.
    All seine Bedenken verflüchtigten sich jedoch, als Venea sich abrupt aufsetzte. Eine dünne Bahn einfallenden Mondlichts verlieh ihrer Haut einen bronzenen Ton. Rorn spürte, wie ihm das Blut in den Lenden zusammenströmte. Er konnte plötzlich nicht anders, als die Linien ihres Körpers mit seinen Händen nachzuzeichnen.
    Die Hexe lächelte zufrieden. »Sei unbesorgt. Ich bin zu stark, als dass mir dein Bann gefährlich werden könnte«, behauptete sie. »Pass auf, ich beweise es dir.«
    Und sie hielt Wort.
    Sie bewies ihm ihre Kraft und ihre Geschmeidigkeit, bis weit in den frühen Morgen hinein.
    Später hielt sie sogar das zweite Versprechen, das sie ihm gegeben hatte. Als Rorn gegen Mittag erwachte, war der Platz an seiner Seite verwaist. Auch in ihrer Kammer und den übrigen Räumen der Wirtschaft war Venea nicht aufzufinden. Sie hatte den Kreuzkrug bereits verlassen, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen.
    Doch eine innere Stimme sagte Rorn, dass er sie irgendwann wiedersehen würde. Und das vielleicht schon eher, als ihm lieb sein konnte.
    Zur Zeit der Zyklopen
    »Sie kommen!« Niemand vermochte später noch zu sagen, wer diese Worte zuerst gewispert hatte, vermutlich war es einer der Torposten gewesen. Zumindest flammte das Raunen, das der Ankunft des Großmagiers vorausging, nahe des Eingangs auf, bevor es sich wie das Knistern eines Lauffeuers durch die ganze Halle ausbreitete.
    Sofort richtete sich alle Aufmerksamkeit auf das von zwei mächtigen Säulen flankierte Portal. Die Anspannung stieg, auch wenn sich die meisten nach außen hin gelassen gaben. Unbewusst fuhr Eonis, der Gebieter aller Leu, die scharfen Krallen seiner Vorderpranken aus und zog sie sofort wieder zurück.
    Weit hinter ihm, an der Rückseite des Thronsaals, erklangen die sanften Schläge eines Glockenspiels. Es bestand aus fünf bronzenen Röhren, die in einen Balken aus geöltem Rotnussbaum eingelassen waren. Je höher das stufig ansteigende Metall aufragte, umso tiefer wurden die Töne, die ihm die mit Leder umwickelten Klöppel entlockten. Die zu Ehren der eintreffenden Gäste erklingende harmonische Melodie füllte den Thronsaal bis in den letzten Winkel aus und hallte noch längere Zeit in der mächtigen Kuppelwölbung über ihren Köpfen nach.
    Viele Gryff sahen verwundert in die Höhe, und manch einer von ihnen spreizte das Gefieder unter seinem geschlitzten Mantel. Selbst Eonis, dem das beeindruckende Echo wohlvertraut war, spürte, wie sich ihm das Nackenfell sträubte.
    Stolz erhob er sich von seinem weißen Marmorthron und sah über die vor ihm versammelte Menge hinweg. Für das, was bevorstand, wäre ein geweihter Tempel geeigneter gewesen, doch nur der hochherrschaftliche Palast von Myandor bot ausreichend Platz, um die aus allen Landesteilen angereisten Gesandten aufzunehmen.
    Über zweihundert seiner Untertanen bevölkerten das Marmorparkett, dazu die zwanzig stärksten Krieger der königlichen Leibgarde, sowie eine fünfzigköpfige Abordnung der Gryff.
    Obwohl sie bei weitem nicht so dicht gedrängt wie ihre Gastgeber standen, fühlten sich die Trutzadler, wie die Leu sie gerne nannten, sichtlich unwohl unter ihrem Gefieder. Geschlossene Räume waren dem geflügelten Volk generell zuwider, und ihre zahlenmäßige Unterlegenheit steigerte noch das vorhandene Unbehagen. Unter solchen Umständen war die friedliche Stimmung schnell gefährdet. Ein falsches Wort oder eine unachtsame Berührung mochten bereits genügen, um die Krallen auszufahren oder nach dem Streithammer am Gürtel zu langen …
    Nicht auszumalen, was solch gewaltsame Händel

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