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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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– und sei der Anlass auch noch so nichtig – zur Folge haben konnten. Tief sitzende Instinkte und Abneigungen hatten schon manches Bündnis gesprengt, ehe es überhaupt richtig geschlossen war. Das Misstrauen der Geschnäbelten musste daher eingeschläfert werden, zumindest, bis die Zeremonie begann. Erst musste der unauflösbare Pakt besiegelt sein, dann konnte nichts mehr passieren. Aus diesem Grund hatte Eonis befohlen, den Gryff so viel Platz wie möglich einzuräumen.
    Ohne die Zyklopen, deren Launen das Volk der Gryff und der Leu gleichermaßen bedrohten, hätten die beiden so unterschiedlichen Völker wohl niemals zueinandergefunden. Dass sie überhaupt die Hilfe der Geschnäbelten benötigten, war selbst Eonis ein Dorn in der Tatze, doch der Niedergang der Trutzadler war ihm mahnendes Beispiel genug, um sich nach außen hin nichts anmerken zu lassen.
    Schon vor Leu Gedenken hatten sich die Zyklopen in ihre steinernen Türme zurückgezogen, die so hoch in den Himmel ragten, als wollten sie an den Wolken kratzen. Es hieß, die Einäugigen verfolgten dort oben den Lauf der Gestirne, weil sie einst selbst von den Sternen gekommen waren. Auf jeden Fall kümmerten sie sich nur wenig um das, was zu ihren Füßen geschah, es sei denn, ein neues Volk erhob sich aus dem Staub der Zeit und unternahm den Versuch, nach Höherem zu streben.
    Sobald die Zyklopen ihre Allmacht gefährdet sahen, setzten sie alles daran, die Nebenbuhler zurück in die Bedeutungslosigkeit zu stoßen. Selbst die einst so mächtigen Gryff waren auf diese Weise über Generationen hinweg ausgeblutet worden. Längst waren sie ein im Abstieg begriffenes Volk, das vollends in die Primitivität zurückzustürzen drohte. Stark dezimiert und vor den Trümmern ihrer einstmals blühenden Kultur stehend näherte sich ihr Verstand wieder dem der Tiere an. Ein Bündnis mit den aufstrebenden Leu war ihre letzte Möglichkeit, dem Abstieg zu entgehen. Die knapp fünfzig Adligen, die sich heute in Myandor zusammengefunden hatten, waren der traurige Rest verbliebener Intelligenz, der noch von alter Größe zeugte. Doch auch diese Abordnung hatte bereits große Mühe, sich in einen standesgemäßen Ablauf einzufügen.
    Wahrlich, das Volk der Gryff war bloß noch ein Schatten seiner selbst. Jedes Feuer, so hell es auch lodert, brennt einmal nieder und erlischt. Aus Eonis Sicht galt das nicht nur für die Trutzadler, sondern auch für die Zyklopen.
    Den Leu war die Degeneration der geflügelten Rivalen lange Zeit äußerst recht gewesen, hatte der Krieg zwischen Gryff und Riesen doch beide davon abgehalten, sich mit anderen Völkern zu beschäftigen. Doch als die Leu den aufrechten Gang verfeinerten und andere Völker unterwarfen, erregten sie auch die Aufmerksamkeit der Zyklopen.
    Seit einigen Sommern wussten sie nun, wie unbarmherzig der Kampf gegen die Einäugigen war, die stets im Schutz der Dunkelheit zuschlugen. Riesenhafte Fußabdrücke in den zerstörten Siedlungen und Städten waren alles, was sie hinterließen. Niemand, den sie angriffen, überlebte lange genug, um anschließend davon zu berichten. Das machte ihre Form der Kriegsführung so unheimlich. Denn keiner wusste, wann sie ihre Türme verließen, und wo und wie sie als Nächstes zuschlugen. Selbst das Aussehen der Zyklopen war unter den Leu umstritten.
    Die Zeit, da die Riesen noch auf Erden wandelten, lag schon unzählige Generationen zurück. Die Erinnerung an ihr Äußeres war mit den Sommern verschwommen und schließlich gänzlich in Vergessenheit geraten. Ohne jene Knochenreste, die im Staub der Vergangenheit überdauert hatten, wäre nicht einmal sicher gewesen, dass sie überhaupt Wesen aus Fleisch und Blut waren.
    Eonis betrachtete kurz einen der beiden verwitterten Schädel, die seine Thronlehnen krönten. Mehr war von den Skeletten der Riesen nicht geblieben, doch ein jeder, der von dem Umfang der mächtigen Häupter auf den Rest des Körpers schloss, musste schaudernd anerkennen, dass die Zyklopen jeden Krieger der königlichen Leibgarde um mindestens das Dreifache überragten. Die große Augenhöhle inmitten der gewölbten Stirn belegte zudem, dass diese furchtbaren Wesen einäugig auf ihre Opfer herabblickten, wenn sie zu ihren vernichtenden Schlägen ausholten.
    Um solch einem überragenden Gegner beizukommen, bedurfte es weit mehr als nur Mut und Kampfeskraft, dazu waren auch List und Magie vonnöten. Das hatten am Ende selbst die Gryff einsehen müssen, die viel zu groß und zu

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