Bannstreiter
zu reden.
Venea staunte nicht schlecht, als er den Bergbewohnern erzählte, dass sie die Gewaltherrschaft der Nebelreiter selbst zu verantworten hätten, weil es nur Baos ungesühnte Morde waren, die den Fluch des iskandischen Schamanen nach sich gezogen hatten. Die Hexe konnte sich weiterhin nicht daran erinnern, dass Hardemar durch sie gesprochen hatte, und so blieb es auch, denn Rorn behielt die Quelle seines umfangreichen Wissens für sich.
Die Bewohner des Nebelbruchs sollten ruhig glauben, dass er ihre Lügengespinste jederzeit durchschauen konnte. Umso größer war die Gewissheit, dass zukünftige Reisende von nächtlichen Überfällen verschont blieben.
Bevor sich Rorn in die Schlafkammer begab, sah er ein letztes Mal zum Schanktisch, an dem Alme gerade Veit tröstend den Kopf streichelte. Warum die liebreizende Schankmaid ihr Herz ausgerechnet an diesen gutmütigen Trottel verloren hatte, der sie nicht einmal vor Baos Schlägen hatte schützen können, würde dem Bannstreiter auf ewig ein Rätsel bleiben. Aber nun, da Veit dem unheiligen Einfluss seiner alten Freunde entzogen war, stand dem Glück des ungleichen Pärchens wohl nichts mehr entgegen.
»Eifersüchtig?«, neckte ihn Venea.
Die Hexe, die von hinten an ihn herangetreten war, flüsterte so leise, dass sie niemand außer ihm verstehen konnte. Trotzdem stieß Rorn einen unwilligen Laut aus.
»Würdest du mich besser kennen, wüsstest du, dass ich über jeden froh bin, der Abstand zu mir hält«, beschied er ihr, bevor er grußlos über eine hölzerne Stiege hinauf zu den Schlafstuben verschwand.
Jede andere Frau hätte sich daraufhin zurückgezogen, aber eine Hexe wie Venea war nicht so leicht zu verschrecken. Das bekam der Bannstreiter wenig später zu spüren.
Rorn war noch viel zu aufgewühlt, um raschen Schlaf zu finden. Er hatte sich in seinem Bett gerade zum dritten Mal von der einen Seite auf die andere gewälzt, als sich der vorgelegte Querbalken seiner Kammertür leise schabend aus der Halterung löste. Er wollte schon nach Grimmschnitter langen, der neben ihm am Bettpfosten hing, als eine barfüßige Gestalt in die kleine Kammer huschte.
Der Bannstreiter hatte schon viel erlebt, aber noch keinen nächtlichen Überfall, bei dem ein ernstzunehmender Angreifer kein schweres Schuhwerk getragen hätte.
»Ich muss dir irgendwann mal zeigen, wie du deinen Türriegel gegen magischen Einfluss schützen kannst«, flüsterte eine Stimme, die eindeutig Venea gehörte. »Aber nicht heute Nacht.«
»Was willst du?«, fragte er überrascht. Und kam sich schon dumm vor, noch während seine Frage im Raum nachhallte.
Ihr leises Kichern bestätigte Rorn in seiner Selbsteinschätzung.
»Ist das nicht offensichtlich?«, fragte Venea, während sie zu ihm unter die Decke schlüpfte.
Ein warmer Schauer durchlief seinen Körper, als sie sich dicht an ihn drängte. Sie trug keinen Faden am Leib, sondern war genauso nackt wie er. Selbst ihre Armbänder hatte sie abgelegt. Das spürte er genau, als sie mit ihren Fingerkuppen über seine Brust zu streichen begann. Sie war erregt. Eine ihrer kleinen, harten Brustwarzen drückte fest gegen seinen Oberarm.
So angenehm ihre Berührungen auch waren, Rorns Muskeln verkrampften sich.
»Lass das lieber«, murmelte er. »Ich bringe allen, die mich lieben, nur Unglück.«
»Wer spricht denn von Liebe?« Sie schnurrte wie eine Katze, der man den Bauch streichelte. »Morgen früh gehen wir wieder unserer Wege.«
»Stell dich nicht dumm«, wehrte er ab. »Du weißt genau, wie ich es meine.«
Ihre kreisenden Fingerkuppen verharrten einen Augenblick, bevor sie langsam in Richtung Bauch herabzuwandern begannen. »Ich weiß, du trägst tiefe Narben in deiner Seele.« Veneas Stimme klang nun ernster. »Lass mich heute Nacht deine Seelenheilerin sein.«
Bevor er darauf antworten konnte, glitt sie geschmeidig unter der Decke entlang. Ehe er sichs versah, spürte er sie schon auf sich ruhen. Es fühlte sich gut an, ihre Haut auf der seinen zu spüren, doch die in ihm wühlenden Ängste schnürten ihm beinahe die Kehle zu.
Neele und Yako – die Erinnerung an die beiden war plötzlich so stark, dass er ihre Gesichter im Dunkeln vor sich sah.
»Mein Bann …«
Rorn wollte nicht, dass noch eine weitere Frau wegen ihm starb.
»Lass die Bitterkeit aus deinem Herzen«, forderte Venea, während sie mit einer Hand über seine Wangen strich. »Kein Mensch kann auf Dauer in Einsamkeit leben.«
»Mein Bann …«
»Kann mir
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