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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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sollte, gefährlicher als gewöhnlich war. Ihr Gegner schloss seine Reihen! Unbemerkt von der normalen Bevölkerung tobte längst ein unsichtbarer Krieg, in dem beide Parteien mit gnadenloser Härte gegeneinander vorgingen. Pardon war nicht zu erwarten und wurde selbst nicht gewährt.
    Leru ist eine von Grund auf verdorbene Stadt , hatte die Alte gewarnt. Ein schneller Tod mag noch das Beste sein, das euch dort ereilen kann.
    Leises Kichern schallte von den umliegenden Häusern wider.
    Als Venea aus dem gemauerten Eingang hervorspähte, entdeckte sie eine Gruppe von fünf Männern und Frauen, die eine Pechfackel bei sich führte. Die blakenden Flammen malten lange Schatten an die Fassaden, nur dort, wo eine Lücke zwischen den Gebäuden klaffte, sog die Dunkelheit das Licht vollständig auf. Die beiden Frauen trugen geflochtenes Grün im Haar, die Männer hatten sich frischen Klee an die Hemden geheftet. Ein seltsamer Schmuck, der in letzter Zeit aber häufiger anzutreffen war.
    Geschmeidig glitt Venea aus ihrem Versteck und eilte an der fröhlichen Truppe vorüber. »Komm mit uns, zur Domäne!«, rief ihr der Fackelträger nach, ehe sie im nächsten Hauseingang Deckung suchte. »Dorthin, wo das Volk herrscht und nicht der König.«
    Die Worte des Mannes ergaben wenig Sinn für sie, der liebeskranke Unterton in seiner Stimme schon. Veneas anfängliche Bedenken, er könnte ihr nacheilen, erwiesen sich zum Glück als unbegründet. Die beiden Pärchen der Gruppe zerrten den Alleinstehenden mit sich. Sie hatten es eilig und wollten nicht auf seine Fackel verzichten.
    Erleichtert lehnte sich Venea gegen die schwere Eichentür, die sie in ihrem Rücken spürte. Tief im Schatten des Rundbogens verborgen fixierte sie den dunklen Einschnitt in der gegenüberliegenden Häuserfront, der im Nichts zu enden schien. Nicht der kleinste Lichtschimmer war dort zu sehen, nicht mal ein schmaler Streifen, der durch die Ritze eines Fensterladens sickerte. Gegen den klaren Sternenhimmel betrachtet hob sich die Lücke allerdings deutlich zwischen den Dächern ab.
    Wer auch immer ihr über die Dächer hinweg folgte, musste seine Deckung an dieser Stelle verlassen, um ihr auf den Fersen zu bleiben. Erwartungsvoll spähte Venea zu der betreffenden Abschlusskante. Gleich darauf waren schemenhafte Bewegungen zu erkennen, wenn auch viel tiefer im Stichweg als von ihr erhofft. Was Venea ausmachen konnte, war keine menschliche Silhouette, sondern erinnerte mehr an zerknickte Birkenstämme, die im Wind erzitterten.
    Noch während die Hexe überlegte, ob ihr die Augen einen Streich spielten, erklang ein tönerner Laut! Dort, wo sich die seltsamen Bewegungen abzeichneten, stießen tatsächlich Dachpfannen aneinander.
    Ihre Hoffnung, der geheimnisvolle Verfolger würde seine Gestalt bei einem Sprung von Haus zu Haus offenbaren, erfüllte sich allerdings nicht. Statt durch die Luft zu schnellen, kippte der Schemen nach vorne über. Genaueres war nicht zu erkennen, denn der Umriss wurde mit der zwischen den Häusern nistenden Finsternis umgehend eins. Vergeblich wartete Venea auf einen dumpfen Aufprall am Boden.
    Ihr Verfolger war nicht aus Versehen ins Leere getreten, aber was hatte er dann getan? War er auf einen umlaufenden Sims gesprungen, den sie von ihrem Beobachtungspunkt aus nicht erkennen konnte?
    Die Hexe hatte endgültig genug davon, sich zu verstecken.
    Sie gierte nach Gewissheit.
    Entschlossen langte sie nach ihrem linken Armband und strich mit den Fingern über die Augen der Silberschlangen. Ein kalter Hauch vereiste ihren Körper, aber das erschreckte sie nicht. Im Gegenteil. Die aufsteigende Kälte bewies lediglich, dass der gewünschte Tarnzauber wirkte. Zufrieden stieß sich Venea mit dem Rücken von der Eichentür ab und trat in die vor ihr liegende Gasse hinaus. Obwohl sie an sich herabblickte, waren weder ihre Kleidung noch ihre Beine zu erkennen. Der flackernde Schein des nächstgelegenen Feuerkorbes malte auch keine verräterischen Schatten auf das Kopfsteinpflaster.
    Solcherlei Zauber, wie sie gerade wirkte, machte einen Menschen ganz und gar unsichtbar. Es war der stärkste Bann, den Venea beherrschte, aber auch ein äußerst kraftraubender. Kaum hatte sie ein paar Schritte zurückgelegt, erklang ein unangenehmes Sirren.
    Ein sanfter Luftzug streifte über Veneas Kopf hinweg. Keinen Lidschlag später erklang ein harter Laut in ihrem Rücken. Der in der Eichentür steckende Pfeil vibrierte noch, als sie herumfuhr. Ungläubig

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