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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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zurückkehren. Links von ihr stand eine Tür offen, die einen Blick in eine kleine, fürchterlich unaufgeräumte Schlafkammer gestattete. Rund um das ungemachte Bett stapelten sich Folianten und Schriftrollen, aber auch mit Essensresten verklebte Schüsseln, über denen nur deshalb keine Fliegen kreisten, weil der lebende Garten alle Insekten fernhielt.
    Hadik gehörte scheinbar zu den Magiern, die ihre Studien gerne bei Kerzenlicht im Bett fortführten.
    »Myandor, die Umwehte …«
    Der kurze Gang endete vor einem schweren Vorhang, hinter dem ein undeutliches Murmeln zu hören war. Venea ahnte, was das zu bedeuten hatte, noch ehe sie die doppelt verstärkte Umsäumung zur Seite schob. Wie erwartet blickte sie in einen Zeremonienraum, in dem Hadik mit untergeschlagenen Beinen inmitten eines großen Berges von Seidenkissen thronte. Brennende Kräuter verbreiteten einen süßlichen Duft, der die Konzentration fördern sollte, aber Veneas Nase aufs Fürchterlichste beleidigte.
    »Das Siegel, das Siegel der Weißen Stadt!«
    Völlig in sich versunken ließ der Magier seinen Inneren Blick in weiter Ferne umherschweifen. Kein Wunder, dass Veneas Poltern unbemerkt geblieben war. Vermutlich hätte sogar eine Rotte Wildschweine durchs Fenster springen können, ohne dass er aus seiner Trance erwacht wäre.
    Rasch rieb sich Venea über die eiskalten Arme, um sie wenigstens ein wenig anzuwärmen, bevor sie durch den Vorhang schlüpfte. Rund um den Kissenberg, in dem Hadik vor sich hin murmelte, gab es einen leeren Kreis, in dem nicht das kleinste Staubkörnchen den dunklen Holzfußboden verunreinigte. Außerhalb dieses Bereichs herrschte allerdings ein Chaos, das der Unordnung in der Schlafkammer nur wenig nachstand.
    Mehrere Tische bogen sich nur so unter der Last irdener Tiegel, Töpfe und Krüge, zwischen denen Mörser unterschiedlichster Größe standen, worin Hadik die Kräuter verarbeitete, die überall in dicken Bündeln von den Querbalken hingen, über denen sich die kegelförmige Turmspitze erhob. Zwischen all den angemischten Tränken und Salben stapelten sich Bücher jeglicher Größe, sowie Teller mit abgenagten Hühnerknochen.
    Eine Kochstelle mit gemauertem Rauchfang war an der nordwärts gelegenen Wand zu finden, während sich direkt gegenüber, so weit wie nur möglich von den offenen Flammen entfernt, mehrere Regale zu einem kleinen Labyrinth gruppierten.
    In all diesem Chaos die gesuchte Schattenjade aufzufinden stellte eine Kunst für sich dar. In den meisten Quartieren brauchte sich ein Dieb nur nach der schwersten und am stärksten durch Eisen und Bannsprüche geschützten Kiste umzuschauen, um zu finden, was er suchte. In einem solchen Durcheinander konnte allerdings selbst der wertvollste Besitz unter einem Berg von schmutzigem Geschirr verborgen sein.
    Zunächst einmal nahm sie den Magier selbst in Augenschein, konnte aber auch bei genauester Beobachtung kein Amulett oder sonstiges Hilfsmittel entdecken, das nach der gesuchten Schattenjade aussah. Hadik trug nur das silberne Netz um den Hals, das aber als Zunftzeichen und vielleicht noch als Hilfsmittel zur besseren Konzentration diente. Aber irgendwo musste er doch sein, der Machtspeicher, den die Schattenmutter und ihr Innerer Zirkel bei ihren Beschwörungen aufgespürt hatten. Mochte Hadik auch noch so beteuern, dass er auf anderen Pfaden wandelte – die Schattenmutter irrte nie, wenn es um die Jade ging.
    Hadik besaß Schattenjade und setzte sie gewiss auch ein. Niemand vermochte auf Dauer der zusätzlichen Macht zu widerstehen, die die Steine zur Verfügung stellten.
    Venea kannte die damit verbundenen Verlockungen aus eigener Erfahrung. Wer einmal eine Flammensäule ins Leben gerufen hatte, gab sich danach nur noch ungern mit einem Funkenregen zufrieden. Verfüge über uns , schienen die Armbänder beständig zu flüstern. Du weißt doch, wie schnell und leicht du dadurch ans Ziel gelangst.
    Aber natürlich war es nicht die Jade, die da zu ihr sprach, sondern es waren die dunklen Charakterzüge, die in jedem Menschen schlummerten. Etwa die Eitelkeit, die zu beeindrucken wünschte, oder der Hochmut, der auf andere herabblicken wollte, aber auch ganz einfach die Faulheit, die alle unnötigen Anstrengungen ablehnte. Die Schattenmutter hatte ihnen oft genug von diesen Gefahren erzählt. Und von dem hohen Preis, den es kosten konnte, seinen dunklen Neigungen nachzugeben.
    Ein leises Schaben riss Venea aus ihren Gedanken.
    Verblüfft sah sie zur Decke

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