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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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Silber gegossen war, und Venea eine gläserne Philole. So unterschiedlich die Behältnisse auch waren, sie enthielten alle den gleichen übelriechenden Inhalt.
    Es kostete die drei Frauen einige Überwindung, sich mit dem Sud am ganzen Körper zu benetzen, doch es musste sein. Sie durften ihre Kräfte nicht schon dafür verschwenden, unbeschadet bis zum Fuß des Turms zu gelangen. Seite an Seite huschten sie durch die Nacht und halfen sich gegenseitig dabei, die Mauer zu erklimmen. Im dunklen Garten angelangt atmete Venea tief durch – und musste unmittelbar darauf einen aufsteigenden Hustenreiz unterdrücken. Denn je länger der selbstgebraute Sud auf der Haut haftete, desto stärker entfaltete er seine Wirkung.
    Bree musste unwillkürlich kichern.
    »Still!«, mahnte Venea. »Denk an den Spinnenreiter, von dem ich euch erzählt habe.«
    Angesichts des vor ihnen liegenden Dickichts verstummte die Blonde umgehend. In dem undurchdringlich erscheinenden Unterholz vermochte sich eine ganze Armee Herzloser verbergen. Das war ein beängstigender Gedanke, doch für eine Umkehr war es zu spät. Es gab eine Aufgabe, die erfüllt werden musste.
    Dicht an die Innenmauer gepresst bewegten sie sich auf den Anfang des Pfades zu, den sie von der Mauerkrone aus gesehen hatten. Obwohl es vollkommen windstill war, knarrten die Bäume. Vor allem jene, an denen sie gerade entlanggingen. Blätter rauschten, wie unter einer steten Brise, während sich die hohen Wipfel zu den Frauen herabneigten.
    Tabeth stieß einen spitzen Laut aus, als sie mit ihrem rechten Fuß gegen etwas Schmales, Bleiches stieß, das große Ähnlichkeit mit einem menschlichen Hüftknochen besaß. Plötzlich wirkten die dicht belaubten Äste, die sich ihnen entgegenstreckten, noch bedrohlicher.
    Was nur, wenn die Untiere irgendwann nicht mehr angewidert zurückwichen, weil der Sud seine Wirkung verlor? Wurden die Hexen dann genauso gepackt und ins Dickicht gezerrt wie die Unglücklichen, deren Knochen überall verstreut im hohen Gras vermoderten?
    Wir haben immer noch unsere Schattenjade , versuchte Venea sich Mut zuzusprechen. Gleichzeitig hoffte sie inständig, dass die Rezeptur der Schattenmutter nicht versagen möge.
    Am Schlängelpfad angekommen fühlte sie sich etwas sicherer, aber auch hier rückten die Zweige von allen Seiten dicht an sie heran. Veneas Kehle trocknete aus, als sie ein feuchtes Glitzern auf mehreren Blättern bemerkte. Was auf den ersten Blick wie harmloser Tau aussah, war in Wirklichkeit giftiger Schleim, der über die Haut einwirkte und das Opfer binnen weniger Herzschläge willenlos machte. Die drei Hexen gingen hintereinander über den mit Feldsteinen befestigten Weg, um sich möglichst weit in der Mitte zu halten. Aus dem Dunkel hervorzuckende Ranken, die sich wie Schlangenzungen vor ihren Gesichtern wanden, machten jedoch immer wieder deutlich, dass es vor dem Gestrüpp kein Entrinnen gab.
    Wer ungeschützt in diesen lebenden Urwald geriet, wurde erst betäubt und dann bei lebendigem Leibe verdaut.
    Ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen und die Mäntel fest um den Körper geschlungen bewältigten sie eine Strecke von knapp dreißig Königsschritten, die ihnen allerdings wie ein Marsch durch einen endlosen Wald vorkam. Unterhalb eines erleuchteten Fensters angelangt stellten die drei fest, dass von ihren Mänteln vereinzelte Gifttropfen perlten.
    Allzu blindes Vertrauen auf den Schutztrank wäre ihnen zum Verhängnis geworden. Angeekelt stellten sie sicher, dass keine Stelle betroffen war, die mit der bloßen Haut in Berührung geraten konnte. Venea hatte einen bitteren Geschmack im Mund, und auch ihre Schwestern sahen aus, als müssten sie sich gleich übergeben. Die Möglichkeit, dass eine von ihnen vom Weg abgekommen und im Unterholz zusammengebrochen wäre, schien plötzlich mit Händen greifbar. Tiefes Unbehagen schüttelte ihre Glieder.
    »Der Bannkreis«, mahnte Venea, um sie alle auf andere Gedanken zu bringen.
    In einem Schritt Abstand zu dem raschelnden Efeu, der den quadratischen Turm umrankte, stellten sie sich auf. Als Venea ihren Geist öffnete, spürte sie bereits die Anwesenheit der anderen Hexen. Gemeinsam leise Formeln sprechend, die dabei halfen, die Kräfte zu bündeln, tasteten sie mit unsichtbaren Händen in Richtung des Turms, bis sie einen Widerstand spürten.
    Die Barriere war schwächer als erwartet. Es fiel ihnen nicht allzu schwer, sich der fremden Schwingung anzupassen und sie zu überwinden. Ein bisschen

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