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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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keinen Muskel, bis sie wieder völlig reglos in der Luft verharrte.
    Was nun kam, war der schwierigste Teil ihres Unterfangens.
    Sobald Venea ihre Füße bewegte, entzog sie sich dem Einfluss der Levitation. Darum streckte sie zunächst vorsichtig beide Arme aus und tastete nach dem Mauerwerk. Einer ihrer Fingernägel brach ab, als sie versehentlich mit ihrer unsichtbaren Rechten die Fensterbank rammte, anstatt sie gleich an der hinteren Kante zu packen. Vorsichtig zog sie die Linke nach und tastete so lange über den massiven Stein, bis sie knapp unterhalb des Sturzes Halt fand.
    Von der See her auffrischender Wind fächerte Veneas Haare auf, während sie eines ihrer Beine anwinkelte und durchs Fenster schob. Der Halt unter dem anderen Fuß geriet umgehend ins Wanken. Rasch spannte sie alle Muskeln an, um sich nach vorne zu ziehen, doch im gleichen Moment, da sie ihr Körpergewicht spürte, tauchten vor ihren Augen schwarze Punkte auf.
    Bleierne Schwere überkam ihre Glieder. Alle Kraft schien auf einen Schlag wie weggesaugt. Der Kampf gegen den Spinnenreiter steckte Venea noch immer in den Knochen. Die Zeit der Erholung, die sie in der Schenke genossen hatte, war einfach zu kurz gewesen, um sich schon wieder ungefährdet der Schattenjade zu bedienen.
    Veneas Knie rutschte über den Sims, ihr in der Luft schwebender Fuß fand keinen Halt mehr. Sobald ihr Knie den Kontakt zum Fensterbrett verlor, folgte unweigerlich ein Absturz, der nach drei Stockwerken freien Falls auf steinhartem Boden enden würde. Das überlebte niemand, auch keine Hexe.
    Bree und Tabeth schrien vor Entsetzen auf, als sie Veneas Todesangst spürten.
    Vielleicht war das der Moment, in dem Venea noch einmal alle Reserven mobilisierte. Ihre Finger krallten sich regelrecht in das Mauerwerk. Verzweifelt drängte sie die anrückende Ohnmacht zurück und zog sich mit letzter Kraft nach vorne. Die schwarzen Kreise vor ihren Augen zerplatzten. Wellen der Übelkeit schüttelten ihren Körper. Sie erkannte nur noch schemenhaft, wie der vor ihr liegende Gang aussah. Plötzlich bestand die Welt um sie herum nur noch aus wirbelnden Sandsteinwänden, während sie mit dem Oberkörper voran ins Turminnere fiel.
    Gerettet, doch um welchen Preis?
    Eine unter dem Fenster stehende Truhe dämpfte Veneas Sturz, trotzdem schlug sie mit dem Kopf auf, während sie über den Boden rollte. Leises Eindringen klang anders. Ein Keuchen entfuhr ihrer Kehle, bevor sie endlich flach ausgestreckt zu liegen kam. Eisige Kälte kroch ihr unter die Haut. Sie hatte ihrem Körper wirklich zu viel zugemutet.
    Erneut drohte bleierne Ohnmacht wie eine schwarze Sturzwelle über die Hexe hinwegzurollen. Schwarze Schleier wehten am Rande ihres Sichtfeldes, doch bewusstlos zu werden, konnte ihren Tod bedeuten. Einmal ausgesprochen wirkte ein Tarnzauber, bis er widerrufen wurde. Selbst, wenn er seinem Träger dabei den letzten Lebensfunken aussaugte.
    Angesichts des Lärms, den sie beim Eindringen gemacht hatte, durfte sie aber unter keinen Umständen sichtbar werden. Falls Hadiks Spinnenreiter sie in ihrem angeschlagenen Zustand entdeckten, war es um sie geschehen. Alles, was Venea also blieb, war, den stillen Kampf aufzunehmen.
    Verzweifelt richtete sie ihren Blick auf eine blakende Fackel an der gegenüberliegenden Wand. Solange sie die heruntergebrannte Flamme flackern sah, war sie noch bei klarem Verstand. Wach bleiben! , sagte sich Venea immer wieder vor. Du musst wach bleiben!
    Ihre Augenlider begannen zu flattern, doch kurz bevor sie sich gänzlich schlossen, gelang es der Hexe, sie wieder aufzureißen. Bis schließlich die bleierne Müdigkeit nachließ und sie wieder befreit durchatmen konnte. Ein Stechen in den Rippen ließ sie den ersten tiefen Atemzug umgehend bereuen, außerdem dröhnte ihr Kopf, als schlüge jemand mit einem Hammer darauf herum.
    Venea, die Meisterdiebin , spottete sie über sich selbst, während ihre Finger die schmerzende Stelle hinter dem linken Ohr abtasteten. Zum Glück klebte kein Blut in den Haaren. Sie entdeckte nur eine leichte Wölbung, die vermutlich zu einer stattlichen Beule anschwellen würde. Damit konnte sie leben.
    Wenigstens besaß Hadik einen gesunden Schlaf. Anders ließ sich kaum erklären, warum er noch nicht nach dem Rechten gesehen hatte.
    Nachdem sie wieder einigermaßen bei Kräften war, rappelte sie sich auf und schlich zähneklappernd den Gang entlang. Venea fror entsetzlich, wollte aber auf keinen Fall mit leeren Händen

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