Bannstreiter
noch Leben in ihm, das war deutlich zu erkennen.
Immer wieder spannten sich die Muskeln unter der zerfetzten Kleidung an, in dem hilflosen Versuch, sich aus der pflanzlichen Umklammerung zu befreien. Vergeblich. Wer sich erst einmal in der Gewalt von Hadiks Garten befand, den ließen die Pflanzen nicht mehr entkommen.
Eine der Riesenspinnen war inmitten einer Baumkrone gelandet, ihre Gestalt war bereits vollständig überwuchert. Ebenso das zweite Tier und sein Reiter, die beide auf den Boden geprallt waren. Nur anhand der unterschiedlichen Formen der grünen Hügel war zu unterscheiden, wer von ihnen unter welchem verborgen lag.
Selbst hier, im Schatten des Blätterdachs, glitzerten überall Tautropfen wie matte Perlen im Mondenschein. Rorn achtete sorgsam darauf, keine von ihnen aus Versehen zu berühren, als er sich dem Einohrigen näherte. Seine anfängliche Verwunderung darüber, dass ausgerechnet dieser Spinnenreiter nur zur Hälfte überwuchert war, legte sich, als er den roten Schimmer bemerkte, der durch das Leder der aufgenähten Brusttasche drang.
Die Blutjade.
Selbst der gefräßige Garten fürchtete sich vor ihr.
Kalt lächelnd griff Rorn nach seinem Schwert. Blauer Glanz umflorte Grimmschnitters Klinge, als er sie dem über ihm Schwebenden entgegenhob. Mühelos drang die scharf geschliffene Spitze in das Wildleder ein und schlitzte die Brusttasche von unten nach oben auf. Sobald der Einschnitt groß genug war, rutschte die Jade daraus hervor.
Dumpf schlug sie zu Rorns Füßen auf.
Kaum, dass sie nicht mehr den Körper des Spinnenreiters berührte, gerieten die Bäume um ihn herum in Bewegung. Ranken krochen über die dicken Äste heran und tasteten nach der nun schutzlosen Beute. Biegsame Zweige streckten sich ihm von allen Seiten entgegen.
Beine und Arme wucherten in Windeseile zu.
Rorn nutzte den kurzen Moment, den der Oberkörper noch frei lag, um sein Schwert in den Brustkorb des Untoten zu stoßen. Venea hatte die Spinnenreiter mehrmals als Herzlose bezeichnet, dem wollte er tiefer auf den Grund gehen. Fleisch und Knochen des Mannes gaben nach, als hätte Rorn die Klinge in einen morschen Baumstumpf getrieben. Unter lautem Knacken erweiterte er die trockene Wunde so weit, dass die beiden verschrumpelten Lungenflügel sichtbar wurden. Auch alle anderen Organe saßen an ihrem Platz. Nur an der Stelle, an der normalerweise das Herz zu finden war, klaffte eine mit Narben überwucherte Lücke.
Rorn spuckte aus, um den bitteren Geschmack loszuwerden, der sich in seinem Mund ausbreitete. Nun wusste er, warum sich die Untoten noch bewegten, selbst wenn man ihre Köpfe zerstörte. Ihre Herzen schlugen vermutlich noch, aber nicht dort, wo sie hingehörten, sondern bei dem finsteren Hexenmeister, der die Riesenspinnen und ihre Reiter kontrollierte.
Raschelndes Blattwerk verdeckte den Blick auf die offene Wunde.
Schweigend sah er mit an, wie sich Zweige und Ranken über der letzten freien Stelle zusammenschoben. Es gab nichts, was er für den Spinnenreiter tun konnte. Nur hoffen, dass der Unglückliche ohnehin keinen Schmerz mehr verspürte.
Während über ihm die Pflanzensäfte ihr vernichtendes Werk begannen, bückte sich Rorn nach dem roten Ei zu seinen Füßen. Er zog den Ärmel seines Gewandes über die Hand, um nicht das Gras zu berühren, in dem die Blutjade lag. Diese Vorsichtsmaßnahme erwies sich als unbegründet, weil die Halme ohnehin vor ihm zurückwichen. Trotzdem hielt er dieses Vorgehen für sicherer.
Noch während er den Stein aufhob, fiel Rorns Blick auf einen weiteren Gegenstand, der im roten Schein der Jade aufglitzerte. Rorn glaubte zunächst, es handele sich um eine weitere der vielen Tauperlen, aber dann bemerkte er, dass dem vermeintlichen Tropfen silberne Beine entsprangen. Ein genauerer Blick offenbarte, dass es sich um die silberne Nachbildung einer Spinne handelte, die in einem verschmorten Fleischstück steckte.
Das fast bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Ohr des Spinnenreiters. Es musste beim Sturz durch das Geäst vom Kopf abgerissen sein.
Das gefräßige Gras, in dem es nun ruhte, hatte es bereits in eine weiche Masse verwandelt, die mit dem nächsten Regenguss im Boden einsickern würde. Der fein gearbeitete Anstecker war dagegen unversehrt geblieben. Einem spontanen Impuls folgend zupfte Rorn die Spinne mit spitzen Fingern aus dem weichen Ohrläppchen und steckte sie ebenfalls ein.
Dass Attentäter wie die Spinnenreiter solchen Schmuck trugen, konnte kein
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