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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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und Zeigefinger zerrieben hatte, war der Bannstreiter davon überzeugt, dass die riesenhaften Spinnweben nach einiger Zeit von selbst zu Staub zerfielen. Das erklärte auch, warum bei den bisher ermordeten Hexenmeistern keine vergleichbaren Rückstände gefunden wurden.
    Die hinter geschlossenen Türen stattgefundenen Rituale hatten einfach schon so lange zurückgelegen, dass sich alle Spinnweben bereits wieder aufgelöst hatten. Und damit auch jeder Hinweis darauf, wie die Mörder durch Luken und Fenster in die normalerweise unzugänglichen Häuser gelangt waren.
    »Konntest du sehen, was vor sich ging?«, fragte er Venea, die sich gerade die Hände an einem heißen Becher wärmte.
    Was die Hexe zu berichten hatte, verwunderte ihn wenig.
    Hadik hatte also doch nicht die Finger von der Schattenjade lassen können, das war ihm zum Verhängnis geworden. Wo ihn die Zunftschwestern nur bestehlen wollten, hatten ihm die Spinnenreiter brutal das Leben genommen, um ein Ritual durchzuführen. Eines, bei dem Hadiks magische Aura zur Schaffung von Blutjade missbraucht worden war.
    Venea sprach auch über ein verzaubertes Buch, das den Bannkreis von innen her aufgeweicht hatte. Verwundert stellte Rorn fest, dass es sich um die in Leder gebundene Schrift zur Greifenmagie handelte, die er bei Magnus Jonar gefunden hatte. Konnte es sein, dass er, ohne es zu wollen, das Unheil mit in Hadiks Haus geschleppt hatte?
    Die Pergamentseiten des betreffenden Bandes waren jedenfalls noch mit Frost überzogen und klebten dort, wo die Eiskristalle langsam schmolzen, wie mit Leim bestrichen zusammen. Was auch immer in dem Werk über Myandor oder die Greifen gestanden hatte, war dadurch für alle Zeit verloren. Selbst die Zeichnung des aufrecht gehenden Löwen war nur noch ein verschmierter Fleck, dessen ursprüngliche Umrisse sich kaum mehr erahnen ließen.
    Wütend schleuderte Rorn das unbrauchbar gewordene Werk zur Seite. Selbst wenn es besser erhalten gewesen wäre, hätte er es nicht mitnehmen dürfen. Wer wusste schließlich schon, ob es seinen unheiligen Zauber kein zweites Mal ausüben konnte?
    »Wohin gehst du?«, rief ihm Venea nach, als er zur Treppe marschierte.
    »Nach draußen!«, erklärte er knapp, schon über die Stufen herabsteigend. »Die Blutjade ist zu gefährlich, als dass sie in falsche Hände geraten dürfte.«
    Draußen, vor der Tür, wirkte zunächst alles ruhig und friedlich. Es war schon weit nach Mitternacht. Selbst die schlimmsten Zecher lagen schnarchend im Bett. Leru schlief, nur auf den Wehrgängen der Stadtmauer wanderten die Wachen ruhelos auf und ab, um ihrer Müdigkeit Herr zu werden. Wer jetzt noch munter war und keine Uniform trug, der litt unter Schlaflosigkeit oder gehörte zu jener Art von Gelichter, die Dunkles im Sinn hatte und jeden Schatten nutzend durch die Gassen huschte, anstatt das Licht der Laternen zu suchen.
    Rorn spürte nicht den geringsten Windhauch in dem ummauerten Karree, trotzdem raschelten überall die Blätter. Es dauerte eine Weile, bis seine Augen sich auf das fahle Mondlicht eingestellt hatten. Nachdem die Pupillen ausreichend geweitet waren, suchte er die Stelle auf, an der er die abgestürzten Spinnenreiter vermutete.
    Bereits auf dem Weg dorthin sah er, was jenen blühte, die in die Fänge des lebenden Gartens gerieten. Die aus dem Fenster geworfenen Leichenteile lagen längst nicht mehr auf dem Platz, auf dem sie gelandet waren. Das hohe Gras hatte sie in die Reichweite der ersten Äste befördert, und diese hatten sie noch tiefer ins Dickicht gezerrt. Dort wurden sie nun von einem dichten Geflecht aus raschelnden Zweigen, Ranken und Gräsern überzogen, das sich an dem kalten Fleische labte.
    Überall quoll frischer Tau zwischen den Blättern hervor, der nicht nur der Betäubung, sondern auch der Verdauung diente. Die Pflanzen besaßen keine Zähne, die sie in ihre Opfer schlugen, nein, sie verspeisten die Beute, indem sie sie langsam verflüssigten und über die Wurzeln aufsogen.
    Vor Rorn schraken sie aber weiterhin zurück, sodass er sich mühelos einen Weg durchs Unterholz bahnen konnte.
    Der Spinnenreiter mit dem verbrannten Ohr war schon von weitem zu sehen. Er hing inmitten des ineinander verwobenen Astwerks zweier Bäume, Arme und Beine weit abgespreizt. Dort, wo ihn die biegsamen Fesseln gefangen hielten, schnitten sie tief in das aufgeweichte Fleisch ein. Sein Kopf war mit grünen Ranken umwickelt, sodass er nichts sehen oder gar schreien konnte. Trotzdem steckte

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