Bannstreiter
ihren gleichmäßigen Atemzügen zu hören war. Er selbst war noch zu aufgewühlt, um mehr als nur dahinzudämmern. Als er doch endlich Ruhe fand, spürte er ein Zupfen an seiner Seite, und noch ehe er richtig begriff, wie ihm geschah, schlüpfte Bree zu ihm unter die Decke.
Von ihrer Fellweste oder der Wildlederhose war nicht das Geringste zu spüren, im Gegenteil. Wenn ihn nicht alles täuschte, war die Schattenschwester völlig nackt.
»Was soll das?«, fragte er überrascht.
»Was denkst du wohl?« Bree lachte leise.
Als er sich aufrichten wollte, hielt sie ihn zurück. »Nicht so laut«, flüsterte sie. »Oder willst du Venea wecken?«
»Geh!«
Er spürte, wie Bree erstarrte, aber nach einem kurzen Moment des Überlegens wohl zu dem Schluss kam, sich verhört zu haben. Ihre Lippen suchten die seinen, gleichzeitig spürte er ihre kundigen Hände über seinen Körper gleiten. Sie roch gut, und ihre Haut war weich und warm, trotzdem waren Rorn ihre Berührungen zuwider. Entschlossen schob er sie von sich.
»Mir war nicht klar, dass dir der Sinn mehr nach Knaben steht.« So, wie Bree das sagte, hatte sie damit keine Beleidigung im Sinn, sondern schien das tatsächlich für die einzig sinnvolle Erklärung seiner Ablehnung zu halten. »Es tut mir leid, ich dachte nur, du suchst vielleicht auch einen Weg des Vergessens. Wegen allem, was die letzten Tage geschehen ist. Wegen Tabeth und …«
Er bekam eines ihrer nackten Handgelenke zu fassen und presste seine Finger so fest zusammen, dass sie vor Schmerz verstummte. »Ich habe heute Abend drei Männer getötet«, sagte er rau. »Kannst du dir nicht vorstellen, dass ich einfach müde bin und meine Ruhe haben will?«
Bree antwortete mit keinem Wort, aber ihr Schweigen genügte ihm als Bestätigung. Als er sie freigab, kroch sie sofort davon und kehrte zu ihrem eigenen Platz zurück. Die anschließende Stille wirkte bedrückend auf ihn. Selbst Veneas regelmäßiger Atem war verstummt. Ob sie wohl bemerkt hatte, was geschehen war, und nun genauso in den Himmel starrte wie er?
Rorn wusste es nicht.
Er wusste nur, dass es jetzt noch einmal eine halbe Ewigkeit dauern würde, bis er endlich seinen wohlverdienten Schlaf fand.
Zur Zeit der Zyklopen
Hatra hatte schon viel im Leben gesehen, ehe sie mit Perac an den Ort geflohen war, in dem die Zeit nicht existierte. Sie war zu einer Zeit geboren worden, da das Volk der Seth bereits im Niedergang begriffen war. Dennoch hatten zahlreiche Prachtbauten überdauert, die noch von alter Größe zeugten. Aber wie genial die Architekten der Seth auch gewesen sein mochten – nichts von dem, was sie errichtet hatten, kam dem imposanten Anblick gleich, der den östlichen Horizont verdunkelte.
Noch höher als die verschwundenen Türme ragte die Zyklopenmauer auf, so hoch, dass selbst Greifen die Luft zu dünn wurde, wenn sie ihre Krone zu überwinden suchten. Das am Rande einer Steilküste gelegene Bollwerk umschloss ein ringförmiges Areal, das groß genug für die überlebenden Mamuth war, um sich bequem dahinter zu verschanzen.
»Kein Wunder, dass die Späher so wenig Mühe hatten, die verschwundenen Turmquader zu finden«, amüsierte sich Perac, der es sich neben Hatra in einer Baumkrone bequem gemacht hatte.
Von hier oben aus konnten sie den über Nacht aus dem Boden gestampften Schutzwall beobachten, ohne von den felllosen Affen belästigt zu werden, die sich selbst Menschen nannten. Nicht, dass von diesem primitiven Volk, das nicht einmal den Webstuhl kannte, irgendeine ernsthafte Gefahr ausgegangen wäre. Mit ihren Faustkeilen und den steinernen Speer- und Pfeilspitzen konnten sie kaum gegen die Gryff bestehen, geschweige denn gegen einen Großmeister und eine Hexe. Wegen der Mauer schlichen allerdings mehr Menschen als gewöhnlich herum, was den beiden Magiern ungelegen kam. Denn sie hatten Wichtigeres zu tun, als sich der lästigen Nacktaffen zu erwehren.
Dass sie sich überhaupt nördlich der Nordermark halten konnten, hatten die schwächlichen Wesen Thyrms dichten Wäldern zu verdanken, die weder Gryff noch Leu behagten. Alle Versuche der Menschen, weiter nach Süden vorzudringen, waren jedoch blutig niedergeschlagen worden. Da verwunderte es nicht, dass sie die Ringmauer in ihrem Territorium derart in Aufruhr versetzte. Für sie sah es so aus, als versuchte eine Macht, der sie nicht gewachsen waren, ihnen den Lebensraum streitig zu machen. Wie sollten sie auch ahnen, dass die Mamuth nur hierhergekommen waren, um
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