Bannstreiter
funkelten vor Ärger. »So starke Kräfte zu beschwören, wie ich es immer wieder tat, fordert irgendwann seinen Preis. Das ist etwas, dass du noch lernen musst! Mein Tribut lautet nun einmal, dass meine Blutlinie mit mir sterben wird. Besser, du machst dich auch mit diesem Gedanken vertraut, es sei denn, du möchtest geflügelten Löwen das Leben schenken.«
Genau das schwebte ihr vor, allerdings nur, wenn dies der Wille der Götter war. Ginge es nach Hatra, kämen die Kinder nach ihr, vor allem, was das Aussehen betraf. Wichtig war aber nur, dass sie bald welche an ihre Brust legen konnte. Und zwar sobald die Bedrohung durch die Zyklopen endgültig abgewendet war.
Perac sah das vollkommen anders: »Magier brauchen keine Blutlinie. Stellen wir es richtig an, überdauern wir viele Generationen ohne jede äußere Veränderung, während normale Sterbliche durch ihre Kinder und Kindeskinder weiterleben. Drum glaube mir: Solange die Zyklopenmauer steht, ist unsere Stellung unantastbar. Selbst dann noch, wenn die dahinter verborgenen Mamuth bereits zu Staub zerfallen sind.«
Von den eigenen Worten berauscht vergaß er seinen Ärger. Er lachte sogar schon wieder, als er hinzufügte: »Vertrau mir Hatra, uns stehen goldene Zeiten bevor. Wir müssen die Zyklopen von nun an nur in Ruhe lassen.«
Die Hexe schwieg, wohl wissend, dass es nichts nutzte, gegen einen von Perac einmal gefassten Entschluss anzureden. Deshalb blieb ihr nur eins – im Stillen ihre eigenen Pläne zu verfolgen.
Deiner wird Eonis vielleicht bald überdrüssig sein! , dachte sie verächtlich. Mit mir wird er jedoch eine neue Dynastie gründen. Doch unsere Kinder wachsen nur in Sicherheit auf, wenn auch der letzte Zyklopenschädel zertrümmert am Boden liegt.
13. Auf dem Geistermarkt
Wie in allen Städten entlang der Tausendsee ernährten sich auch die Menschen in Syrk größtenteils von Fisch. Da die Stadt keinen eigenen Hafen besaß, wurden die Holzfässer mit den Süß- und Salzwasserfängen auf einem zentral gelegenen Marktplatz angeboten, in direkter Nachbarschaft zu knarrenden Türmen aus übereinandergestapelten Käfigen, in denen Hühner, Kaninchen und anderes Kleingetier eingezwängt waren. Doch nicht nur alles, was der Magen begehrte, gab es hier zu kaufen, sondern auch Kleider und bunte Stoffe suchten zahlungskräftige Abnehmer.
Vom Schwert bis zur Rüstung, vom Duftöl bis zum Liebestrank – auf dem Geistermarkt in Syrk war fast alles zu bekommen. Lediglich Pferde und lebendes Vieh, das größer als eine Ziege war, durften aus Platzgründen nur außerhalb der Stadt gehandelt werden. Die beengten Verhältnisse hinderten die umtriebigen Händler allerdings nicht daran, auch Dinge anzubieten, die nicht in ihren Auslagen zu finden waren. Diebesgut war allenthalben zu bekommen, auch wenn es nicht lautstark angepriesen, sondern nur nach einer geflüsterten Anfrage hinter Vorhängen oder unter den weiten Röcken der Marktfrauen hervorgeholt wurde. Zu groß war sonst die Gefahr, dass ein Bestohlener seinen Besitz im Angebot wiedererkannte.
Vor seinem ersten Besuch in Syrk hatte Rorn tatsächlich angenommen, die Bezeichnung Geistermarkt wäre ein Hinweis darauf, dass hier vor allem Magier und Hexen miteinander Handel trieben, wovon jedoch keine Rede sein konnte. In Wirklichkeit bezog sich der spöttisch gemeinte Name darauf, dass die Stadtwache immer wieder ganze Gespanne voller Raubwaren beschlagnahmte, die nie zuvor jemand gesehen, bemerkt oder gar berührt haben wollte. Ganz so, als wären sie, wie von Geisterhand bewegt, aus dem Nichts heraus erschienen.
Die ganz und gar weltliche Erklärung für den Geistermarkt hinderte aber auch einen Großmagier wie Rabold nicht daran, hier einzukaufen.
»Da ist er«, flüsterte Venea aufgeregt. »Ich erkenne ihn wieder, obwohl er sein Haar kürzer trägt und den Bart abrasiert hat.«
Aufgeregt deutete sie auf einen hochgewachsenen, überraschend gut aussehenden Mann mit fein geschnittenen Zügen, dem das blonde Haar bis zu den Schulterblättern wallte. Bree gab bei seinem Anblick ein behagliches Schnurren von sich, was ihr umgehend ein missbilligendes Stirnrunzeln der Schattenschwester einbrachte.
»Halte dich zurück«, forderte die Ältere. »Rabold hat zum ersten Mal seinen Bau verlassen, wir dürfen uns jetzt keine Fehler erlauben!«
Tatsächlich war es ihnen in den Tagen, die sie nun schon in der Stadt weilten, noch nicht gelungen, zu Rabold vorzudringen. Die Morde an seinen Zunftbrüdern
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