Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
schreitet schnell voran. Ab morgen können Sie das Bein schon zeitweilig etwas belasten. Aber nicht zu sehr. Seien Sie vernünftig.“ Er wandte sich an Alba, die nach einem kurzen Klopfen ins Zimmer getreten war. „Sehen Sie zu, daß der Colonel sich nicht überanstrengt. Er soll erst nur hier im Raum auf und ab gehen, nicht mehr.“
Alba nickte.
Dr. Cummingwood erneuerte die Bandage. Als er fertig war, reichte er seinem Patienten die Hand. „Wir werden einander so schnell nicht wiedersehen. Meine Truppe rückt morgen früh aus. Viel Glück, Colonel.“
„Ich danke Ihnen für alles, was Sie für mich getan haben, Doktor. Ich hoffe, daß Sie keinerlei Schwierigkeiten bekommen, weil Sie mir geholfen haben, einem Feind Ihrer Regierung.“
„Keine Sorge, Colonel. Die Offiziere meiner Abteilung kennen die Geschichte und wissen, daß Sie dem Duke of Chiswick das Leben gerettet haben. Sie haben immer in die andere Richtung geschaut, wenn ich auf dem Weg zu Ihnen war.“ Er nahm seine Tasche und ging zur Tür. „Ich freue mich, Ihnen begegnet zu sein, Colonel. Und in Zukunft lassen Sie sich nicht wieder über den Haufen schießen.“
Royal eilte gerade an dem Krankenzimmer vorüber, als sie einen schweren Fall hörte. Glas splitterte, und eine sonore Männerstimme fluchte lauthals. Ohne sich mit Anklopfen aufzuhalten, stürzte sie hinein und sah die Bescherung. Damon Routhland lag auf dem Boden ausgestreckt und hatte im Sturz das Tischchen mitgerissen, auf dem seine Arznei stand. Die Scherben der Flaschen und der Wasserschüssel bedeckten den Teppich.
Unmutig blickte der Colonel Royal an. „Wollen Sie eigentlich nur dastehen oder mir auf die Beine helfen?“
Royal wandte den Blick hastig ab, denn Damon Routhlands Oberkörper war nackt, und wollte zur Tür zurück. „Ich werde sofort Tobias rufen.“
„Verdammt, Royal, glauben Sie, ich möchte hier hilflos auf dem Rücken liegen, bis der Gute heraufgekeucht ist? Kommen Sie her!“
„Wie konnte das nur geschehen?“ Unsicher kam sie näher, um ihm behilflich zu sein.
„Ich bin es müde, wie ein Kranker im Bett zu bleiben. Das ist es“, gab er mit blitzenden Augen zurück. „Ich habe dafür einfach keine Geduld.“
„Das will mir auch so scheinen.“ Sie umklammerte seinen Arm mit beiden Händen und sah, wie Damon Routhland heftig den Atem einzog, als er mit Mühe, auf Royal gestützt, aufstand. Gewiß hatte er Schmerzen. Sofort stützte sie ihn.
„Nun aber zurück ins Bett. Noch gehören Sie da hin“, mahnte sie.
Er humpelte an den Rand, belastete dabei vorwiegend das gesunde Bein und verzog den Mund. „Was bleibt mir sonst wohl übrig?“ knurrte er. „In meinem ganzen Leben bin ich keinen Tag krank gewesen.“
Schwer ließ er sich auf das Bett sinken und lehnte sich zurück. Seine Hände zitterten, und kleine Schweißperlen hatten sich bei der Anstrengung über der Oberlippe gebildet. Der Schmerz schien Damon Routhland zu schaffen zu machen. Er war noch schwach.
Royal legte ihm die Hand auf die Stirn. „Jetzt ruhen Sie sich erst einmal aus. Und dann versprechen Sie mir, nur aufzustehen, wenn jemand bei Ihnen ist.“
Er blickte zur Decke und biß die Zähne zusammen. „Warum haben Sie sich eigentlich die ganze letzte Woche nicht sehen lassen? Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätte ich sterben können.“
„Das stimmt nicht.“ Sie schüttelte unwillig den Kopf. „Aber es war ganz selbstverständlich, daß ich Sie pflegte, solange Sie bewußtlos waren, Damon. Nun, da es Ihnen viel besser geht, ist das anders. Es schickt sich nicht für mich, allein mit Ihnen zu sein.“
Die goldbraunen Augen ließen Royal verstummen, so spöttisch hatte er sie auf das Mädchen gerichtet. „Spielen Sie nicht die Unschuldige, die nehme ich Ihnen schon lange nicht mehr ab. Geben Sie es doch zu: Sie haben Ihre Zeit lieber mit dem Engländer verbracht.“
Royal bückte sich, las die verstreuten Scherben auf, stellte das Tischchen wieder auf die Beine und war froh, daß ihr das Haar ins Gesicht fiel. So konnte Damon Routhland nicht sehen, wie sehr er sie gekränkt hatte.
„Preston ist längst in New York bei General Clinton. Seit seinem letzten Besuch hier bei Ihnen habe ich ihn nicht mehr gesehen.“
„Hören Sie auf mit General Clinton“, fuhr er sie an. „Ich liege hilflos da, umgeben von Feinden und ohne jede Möglichkeit, zu meiner Einheit zurückzukehren.“
„Ich bin nicht Ihre Feindin, Damon“, tadelte Royal. „Und Preston ist nicht Ihr
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