Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
sagte er sanft. „Sie werden Ihre Meinung ändern, denn ich gebe Sie nicht auf, Royal.“
Beim Mittagessen hörte Royal dann entsetzt zu, wie Preston ihr von Vincent Murdock erzählte, und seufzte endlich tief, als er geendet hatte.
„Ein gräßlicher Mann. Ich kann nur hoffen, ihm nie zu begegnen. Er scheint mir das Böse an sich.“
„Keine Sorge“, beschwichtigte der Duke. „Wenn wir ihn nicht zur Strecke bringen, wird es nach Damons Genesung den Truppen der Aufständischen gelingen, Royal.“
*
Irgend etwas hatte Damon Routhland aufgeweckt. Ein Kratzen oder Scharren. Halb ärgerlich, halb schlafbefangen wandte er den Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Der Zweig eines Maulbeerbaumes, vom Wind bewegt, schlug an die Fensterscheibe.
Eine Weile überlegte der Colonel verwundert, wo er sich befände, und runzelte die Stirn wegen der ungewohnten Umgebung. Nur langsam kehrte die Erinnerung zurück. Natürlich, dies war Royals Haus, und Preston hatte ihn vermutlich hierhergebracht. Es sah so aus, als verdankte er sein Überleben dem Engländer. Diese Vorstellung behagte Damon Routhland ganz und gar nicht.
Heftig und ungeduldig wollte er sich aufrichten. Eine jähe Schwäche warf ihn in die Kissen zurück. Er hatte das Gefühl, als ob jemand mit einem glühenden Eisen ihm in der Beinwunde stocherte. Ungewollt stöhnte er auf und bemerkte wie durch einen Schleier, daß die Tür geöffnet wurde. Alba kam mit einem Servierbrett herein. Er nickte ihr kraftlos zu.
„Ich dachte, Sie könnten Lust auf eine heiße Suppe haben, Mr. Routhland.“ Sie stellte das Tablett ab und half ihm, sich aufzusetzen. Dabei bemerkte sie seinen abfälligen Blick auf den Teller.
„Seien Sie bloß nicht ungeduldig, Sir, und essen Sie auch alles auf. Der Doktor meint, morgen könnten Sie schon etwas Handfesteres bekommen.“
Er schluckte seinen Grimm darüber, von einem britischen Arzt behandelt zu werden, und fügte sich in sein Schicksal. Inzwischen kannte er Alba Beemish gut genug, um zu wissen, daß die Gute keinen Widerspruch duldete.
Als sie nach einer Weile in Begleitung von Dr. Cummingwood zurückkehrte, hatte er den Teller geleert und fühlte sich wirklich etwas gekräftigt.
Der Arzt trat an das Bett und lächelte, während er die Tasche absetzte, seinem übellaunigen Patienten freundlich zu. „Heute brauche ich nicht zu fragen, wie es Ihnen geht. Ihre Gesichtsfarbe verrät mir, daß Sie seit unserer letzten Begegnung erfreuliche Fortschritte gemacht haben. Jetzt kann ich es ja eingestehen: Eine Zeitlang haben Sie mir ziemlich Kopfzerbrechen verursacht.“
Damon Routhland lehnte sich gegen die hochgestellten Kissen. „Ich habe immer noch nicht ganz begriffen, warum Sie sich um meinen Gesundheitszustand bekümmern, Doktor. Immerhin stehen wir auf verschiedenen Seiten, nicht wahr?“
Der Arzt richtete die Lampe so, daß der Lichtschein auf die Wunde fiel, und lächelte. „Als Mediziner bin ich an meinen Eid gebunden, Colonel Routhland, jedem zu helfen, der meiner bedarf, also auch Ihnen. Und dazu kommt noch eine Kleinigkeit persönlicher Art. Der Duke of Chiswick hat mich gebeten, Sie zu behandeln. Seine Gnaden scheint mehr um Ihre Gesundheit besorgt als Sie selbst, Colonel.“
„Das bringt Sie in eine ungewöhnliche Lage, Doktor. Sie tun alles, mich auf die Beine zu bringen, damit ich recht bald zu meiner Truppe zurückkehren und Ihren Landsleuten erneut das Leben zur Hölle machen kann.“
„Sind wir nicht alle Menschen, Colonel? Wenn ihr Soldaten das endlich einmal begreifen wolltet, wäre für unsereinen die Aufgabe wesentlich erfreulicher.“
Routhland schaute den Mann mit wachsender Hochachtung an. „Wahrscheinlich haben Sie recht“, sagte er schließlich. „Könnten Sie Ihren Standpunkt vielleicht auch Männern wie Preston Seaton klarmachen?“
Überrascht hob Dr. Cummingwood den Kopf. „Aber Seine Gnaden ist kein Soldat, hat nie in der Armee gedient. Er ist nur in diplomatischer Mission hier.“
Der Colonel schloß die Augen. Irgendwie fühlte er sich erleichtert. Royal hatte also doch nicht gelogen, als sie ihm erzählte, Preston sei nicht als Offizier nach Amerika gekommen, sondern als Diplomat.
„Wie auch immer, Dr. Cummingwood, es ist mir ein Vergnügen, einen Mann wie Sie kennengelernt zu haben, obwohl Sie auf Seiten der Krone stehen.“
Der Angesprochene hatte den Verband entfernt und sich über die Wunde gebeugt. Jetzt nickte er zufrieden. „Die Heilung
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