Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
hinunter.
„Sie dürfen es ihr nicht nachtragen“, beeilte sich Royal zu erklären. „Alba und ihr Mann stehen treu zur Fahne dieses Landes und sehen begreiflicherweise in den Briten ihre Feinde wie jeder, der die gerechte Sache unterstützt.“
Dem Duke war nicht entgangen, daß Royal Bradford plötzlich mit den Rebellen sympathisierte. Doch bevor er antworten konnte, trat der Arzt zu ihnen auf den Korridor hinaus.
„Wer auch immer den Verwundeten betreut hat, er hat seine Sache erstaunlich gut gemacht. Ich habe den Verband erneuert, mehr ist erst einmal nicht zu tun.“
„Wird er durchkommen, Doktor?“ fragte Royal drängend.
„Ich denke schon. Aber der große Blutverlust hat ihn natürlich sehr geschwächt. Er wird noch eine Weile ständige Aufsicht brauchen. Ich nehme an, daß das der Fall ist.“
„Er hat das Bewußtsein noch immer nicht wiedererlangt“, warf Royal bekümmert ein. „Nur einmal ist er kurz aufgewacht.“
„Voraussichtlich wird er sich im Lauf des Tages bemerkbar machen.“ Er warf dem Duke einen besorgten Blick zu. „Nur wenn das bis morgen nicht so wäre, müßte ich gewisse Befürchtungen für seine Wiederherstellung hegen.“
Royal schaute den Arzt dankbar an. Er strahlte Güte und Vertrauenswürdigkeit aus und fuhr jetzt offenherzig fort: „Seine Gnaden hat mir alles über Ihren Vormund erzählt, Miss Bradford. Ich versichere Ihnen, daß Ihr und Colonel Routhlands Geheimnis bei mir sicher aufgehoben ist. Morgen werde ich wieder vorbeikommen und nach dem Verwundeten sehen.“
„Ich danke Ihnen sehr, Dr. Cummingwood, Sie sind sehr freundlich. Ich kann mir denken, wie schwierig es für Sie ist, diese Behandlung zu übernehmen.“
„Keine Ursache, Miss Bradford. Als Seine Gnaden meine Hilfe erbat, bin ich seinem Wunsch nur zu gern nachgekommen.“
„Danke, Doktor“, warf jetzt der Duke ein. „Ich bringe Sie noch hinaus.“
Die beiden Herren verneigten sich und gingen hinaus. Royal blieb bei Damon Routhland allein zurück.
*
Immer noch lag Colonel Routhland regungslos auf dem Bett. Royal machte sich nun die heftigsten Vorwürfe, daß sie mit ihrem Drängen, er möge sich für sie um Prestons Freilassung einsetzen, ihren Vormund in tödliche Gefahr gebracht hatte. Es war einzig ihre Schuld, daß er nun so schwer verwundet war. Sie zitterte am ganzen Körper bei dem Gedanken, daß sie, wenn Damon Routhland stürbe, ihn auf dem Gewissen hätte. Das hatte sie nicht gewollt, nicht, daß er, um Preston zu befreien, sein eigenes Leben aufs Spiel setzen sollte. Dabei überhörte sie das Öffnen und Schließen der Tür und hob erst den Kopf, als der Duke wieder an ihre Seite trat. Gemeinsam schauten sie auf den Bewußtlosen nieder.
„Es geht ihm so schlecht“, sagte Royal endlich leise. „Ich sehe so gar keine Besserung in seinem Befinden.“
„Sein Zustand ist ernst“, räumte der Duke ein, „aber der Damon Routhland, den ich kennengelernt habe, ist ein Mann von ungewöhnlich starkem Charakter und unbeugsamem Willen. Es braucht mehr als eine Kugel ins Bein, um ihn aufzuhalten.“
Erstaunt sah Royal zu Preston auf. „Ist es möglich? Sie bewundern ihn?“
Der Duke of Chiswick nickte, ergriff ihre Hand und führte Royal mit sich zum Fenster. „So ist es. Aber ich habe auch Ihnen mein Leben zu verdanken.“
Jetzt erst fiel ihr die Veränderung auf, die mit ihm vor sich gegangen war, der Ernst in den sonst so lachenden blauen Augen, das abgezehrte hagere Gesicht, die feinen Spuren der Schrammen auf den Wangen. „Nein, Preston, mir haben Sie nicht zu danken. Ich habe wenig getan.“
„Das stimmt nicht. Sie haben die beschwerliche Reise von England hierher unternommen, um sich bei Ihrem Vormund für meine Freilassung einzusetzen. Meine Mutter hatte Sie um Ihre Hilfe gebeten, nicht wahr?“
„Ich wäre ohnehin hierhergekommen. Haben Sie Ihre Familie benachrichtigt, daß Sie in Sicherheit sind? Ihre Mutter und Alissa haben sich solche Sorgen um Sie gemacht.“
„Sofort nach der Ankunft im Hauptquartier ist die Meldung hinausgegangen.“
Während sie sprachen, war es ihnen nicht aufgefallen, daß Damon Routhland sich aus der Schattenwelt langsam zurückkämpfte. Zugleich schnitt der Schmerz wie mit Messern durch den ganzen Körper. Das Licht blendete, so daß er hastig wieder die Augen zusammenkniff. Ohne sich an das Geschehene zu erinnern, vernahm er ein Gemurmel, lauschte eine ganze Weile, ohne den Sinn der Worte zu begreifen. Endlich gelang es ihm
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