Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
Hände, bevor sich Routhland an Royal wandte. Als er ihren entsetzten Blick bemerkte, ließ er sich neben ihr auf einem Knie nieder, einem jähen Impuls folgend.
„Haben Sie keine Angst vor mir, Miss Bradford. Ich will dem Letzten Willen Ihres Vaters Recht verschaffen, nicht mehr. Sobald ich alles zu Ihrem Besten und zu meiner Zufriedenheit geregelt habe, werde ich Sie aufsuchen und Ihre Zukunft mit Ihnen erörtern. Mir liegt nur daran, Ihnen behilflich zu sein.“
Royal war viel zu verstört, um antworten zu können. Doch Arabella wandte sich wütend an Routhland. „Das tun Sie bloß, um sich an mir zu rächen, weil ich damals Ihren Heiratsantrag abgelehnt habe.“
In ihren schönen Augen standen Tränen, und Damon Routhland sagte gelassen: „Miss Bradford, Sie dürfen mir glauben, daß es mir nur um das Wohlergehen dieses jungen Mädchens geht.“
„Soviel Selbstaufopferung hätte ich Ihnen niemals zugetraut“, höhnte Arabella. Fürsorglich nahm sie Royal in die Arme. „Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Ich werde um das Sorgerecht für meine Nichte kämpfen.“
Royal war wie vor den Kopf gestoßen und begriff überhaupt nicht, was sich abspielte. Sie hörte nur mit halbem Ohr, was Routhland zu Victor Bradford sagte.
„Ich verlasse mich darauf, daß Sie und Ihre Familie das Haus meines Mündels räumen. Es besteht kein Grund zur Eile, morgen nach dem Frühstück wird früh genug sein, denke ich.“
Zornig stand Victor auf, schob seinen Arm unter den seiner Frau und verließ mit ihr die Bibliothek. Simon folgte den Eltern mit mürrischer Miene.
Mit einer Verneigung schritt Damon Routhland hinaus. Royal sah ihm nach und legte den Kopf müde an Arabellas Schulter. Inzwischen hatte der Anwalt die Dokumente sorgfältig zusammengelegt, sie in seiner großen Ledertasche verstaut und sich vor den beiden Damen verbeugt.
Sobald er draußen war, atmete Greenburg tief durch und lächelte. Nun war es vollkommen klar, warum sein Freund Douglas Bradford das Testament nach dem Tode des alten Routhland unter keinen Umständen hatte ändern wollen. Das Mädchen Royal befand sich zweifellos in sehr guten Händen, und Greenburg argwöhnte fast, Douglas Bradford hätte die Entwicklung der Dinge schon damals vorausgesehen und so und nicht anders gewünscht.
2. KAPITEL
Liebster Papa,
schon bald nach der Eröffnung Deines Letzten Willens haben Cousin Victor und die Seinen Savannah verlassen, ohne sich von mir zu verabschieden.
Bisher habe ich auch nichts von Damon Routhland gehört. So muß ich zugeben, daß mir der Gedanke an die Zukunft angst macht. Deshalb bin ich auch so dankbar, daß Tante Arabella noch bei mir ist. Sie spendete mir zumindest ein paar weitere Tage Trost, bevor wir uns wieder trennen müssen.
Royal schob das Tagebuch beiseite und trat an das Fenster mit Blick auf den Platz. Tief im Innersten saß ein nagender Schmerz, wenn sie an ihre Zukunft dachte. Bald schon würde man sie aus der vertrauten und geliebten Umgebung herausreißen und nach England schicken. Dort kannte sie keine Menschenseele. Royal fragte sich einmal mehr, was danach wohl aus ihr werden sollte. Würde sie die Heimat überhaupt jemals wiedersehen?
Wie an diesem Tag hatte sie schon oft hier gestanden und nach Damon Routhland Ausschau gehalten. Daß er noch nicht wieder erschienen war, machte sie eher froh. Er war ihr ein Fremder und stand auch gesellschaftlich weit über ihr. Ganz Savannah verehrte den mächtigen Herrn von Swanhouse Plantation. Royal freilich fürchtete sich vor ihm. Seine ungewöhnlich goldbraunen Augen schienen bis auf den Grund der Gedanken zu dringen. Sie seufzte. Sobald Mr. Routhland auftauchte, würde ihr Leben sich grundlegend verändern, und das für immer.
Sie wandte sich vom Fenster ab und verließ das Zimmer, um Arabella Bradford zu suchen. Nur allzuschnell würde der Tag nahen, der die Trennung brachte, und dann wäre Royal mutterseelenallein.
Arabella saß zu dieser Stunde in der Kutsche und hatte keinen Blick für die Umgebung, während die Pferde dem Ziel zutrabten. Sie war nur unwillig, daß der eigene Bruder die Erziehung seiner Tochter einem völlig Fremden anvertraut hatte. Wie hatte Douglas ihr, seiner einzigen Schwester, das nur antun können? Er hatte doch gewußt, wie sehr sie an Royal hing und daß das Kind bei ihr in guten Händen wäre.
Sie preßte die behandschuhte Rechte gegen die Schläfe und ließ die Gedanken zurückschweifen in jene Zeit, da der erste Besuch in
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