Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht

nicht, Damon Routhland unterlegen zu sein.
    Vor Todesangst wie gelähmt, schielte Marie Grimmet zu ihrem Peiniger auf, der ihr immer noch das Messer an die Kehle hielt. „Ja, Murdock“, stammelte sie tonlos und wagte sich nicht zu bewegen, „ich tu ja alles, was du willst. Nur schlag mich nicht.“ Ein Blick in die beinahe schwarzen Augen, die blutunterlaufen aus den Höhlen zu treten schienen vor rasender Wut, zeigte ihr, daß ihr Leben in diesem Moment keinen Pfifferling wert war.
    Die Klinge begann in Murdocks Hand zu zittern, dann atmete er einmal tief ein und schüttelte den Kopf, als wollte er seine Gedanken klären. Marie Grimmet glaubte zu ersticken, bevor sie spürte, wie er sie freigab und das Messer sinken ließ. Um Haaresbreite hätte Murdock ihr die Kehle durchgeschnitten. Die Knie zitterten ihr so sehr, daß sie sich kaum aufrecht halten konnte, und sie wich schrittweise vor Murdock zurück, weil sie sich immer noch nicht in Sicherheit glaubte.
    „Ich habe meine Meinung geändert“, sagte er schließlich leichthin, als wäre nichts geschehen. „Ich werde großmütig sein und dich leben lassen. Aber sei vorsichtig. Hüte deine böse Zunge, und tu von nun an, was ich dir sage, ohne mir die Galle zu erregen. Kein Wort mehr über die Lady. Und wage ja nicht, deine üble Laune an ihr auslassen zu wollen, verstanden?“
    Sie nickte. Immer noch saß ihr der Schrecken in den Gliedern. „Ja, Murdock, natürlich“, versicherte sie ihm. „Ich werde alles tun, wie du es willst. Ich verspreche dir, du sollst keinen Ärger mehr mit mir haben, Murdock.“
     
    *
     
    Die beiden Männer schlichen vorsichtig den schmalen Weg entlang, der zum Schlupfwinkel der Murdock-Bande führte. Aber sie hatten richtig vermutet, – das Nest war leer, die Vögel schienen ausgeflogen. Niedergebrannte Hütten und herumliegendes zerbrochenes Gerät zeugten davon, daß sich hier ein Kampf abgespielt haben mochte.
    Ezekiel Elman beugte sich hinunter und untersuchte die Asche. „Sieht so aus, als wäre das Feuer schon vor Wochen erloschen, Master Damon.“
    „Richtig“, bekräftigte der und hätte am liebsten laut geflucht. „Ich nehme an, daß Preston Seaton bei diesem Vergeltungsschlag die Hand im Spiel gehabt hat. Dieser Narr! Er hat Murdock damit nicht ausgeschaltet, sondern nur tiefer in die Sümpfe hineingetrieben.“ Er richtete den Blick angestrengt auf den fernen Horizont über den Bäumen und amtete gepreßt. Er hatte Angst, grauenhafte Angst um Royal. Diese schmerzliche Empfindung war ihm so neu, daß er völlig hilflos davor stand und nicht wußte, was er davon halten und wie er ihr begegnen sollte.
    „Nun ist er irgendwo da drinnen. Aber wo, Ezekiel, wo?“
    „Kann ich noch nicht sagen, Master Damon. Aber da fällt mir gerade ein, ich kenne einen Mann, der, würde ich meinen, könnte das vielleicht wissen.“
    „Wer ist dieser Mann? Und wo finden wir ihn?“
    „Er heißt Lester Grimmet. Seine Schwester lebt mit Murdock zusammen. Deshalb mag Grimmet den Banditen auch nicht leiden. Ich glaube, man könnte Grimmet dazu bringen, Murdocks neues Schlupfloch zu verraten. Ist nicht weit bis zu Lesters Hütte.“
    „Ich komme mir so hilflos vor wie noch nie in meinem Leben, Ezekiel. Jede Minute, die ich Royal in der Gewalt dieses Kerls weiß, ist eine wahre Höllenqual für mich. Ich darf nicht einmal daran denken, was mit Royal geschehen könnte.“ Der Ausdruck der goldbraunen Augen verriet heftigen Schmerz. „Ich bringe diesen Schurken um, wenn er sie auch nur anrührt.“
    So hatte der Alte seinen vergötterten Herrn noch nie gesehen. Entschlossen hob Ezekiel Elman den graustrubbeligen Kopf und legte Damon Routhland begütigend die Hand auf den Arm. „Wir holen sie uns heil und munter zurück, Master Damon. Machen Sie sich da bloß keine Sorgen. Ich glaub ja nicht, daß der Bandit ihr überhaupt was zuleide tun will. Dem geht es doch nur darum, Sie hierherzulocken, damit er sein Mütchen an Ihnen kühlen kann, Master Damon.“
    Der Colonel schaute seinen Begleiter fragend an.
    „Ja, das ist klar. Man redet überall von dem unbändigen Haß, den Murdock auf Sie hat, seit Sie den Kerl übertölpelt und ihm den rechten Arm mit dem Messer unbrauchbar gemacht haben. Wir müssen es aber ganz schlau anstellen, so daß wir ihm nicht in die Falle gehen, die er Ihnen ganz sicher gestellt hat, Master Damon.“
    *
    Mit verächtlicher Miene schaute Marie Grimmet das Mädchen an. „Murdock will, daß du das anziehst“,