Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
zischte sie und warf Royal das Kleid hin.
„Wie soll ich das anstellen mit gefesselten Händen?“ erkundigte sich Royal höflich. „Will man mich vielleicht noch in Ketten legen?“
Heftig zerrte die Frau an den Stricken und band Royal los. „Ich verwünsch den Tag, an dem du hierhergekommen bist. Nun haben ich und Murdock schon deinetwegen Streit gehabt, und dafür hasse ich dich.“
Royal kümmerte sich nicht weiter um die Wütende, schlüpfte aus dem Nachthemd und streifte das Kleid über. Es war rauh und kratzte auf der Haut, aber wenigstens war es sauber und würde Royal besser vor den begehrlichen Blicken Murdocks schützen als das durchsichtige Batistgespinst. Nun fühlte sie sich schon etwas wohler als bisher.
Blitzschnell hatte Marie das Nachtgewand an sich gerissen und strich mit den Fingern fast behutsam darüber hin. „Ich nehm mir das für das Kleid, das ich dir geben mußte“, sagte sie feindselig und beobachtete Royal in der Erwartung, die feine Lady würde widersprechen.
Royal drehte sich wieder zu Marie um. „Behalten Sie es. Hoffentlich haben Sie noch Spaß damit.“ Sie schüttelte das zerzauste Haar aus dem Gesicht. „Ich fühle mich in diesem da viel wohler, Marie.“
Die Hände in die Hüften gestemmt, ging Marie um Royal herum und beäugte sie kritisch. Es paßte der Banditenbraut gar nicht in den Kram, daß ihre Rivalin in dem einfachen Gewand wesentlich besser aussah, als sie, Marie, das jemals fertiggebracht hätte. In ihren dunklen Augen blitzte der Neid.
„Du bist wohl eine von denen, die gewohnt sind, daß die Männer sich die Lippen ablecken und schwerer atmen, wenn du daherkommst, he? Aber wenn du glaubst, du könntest meinen Murdock einfangen, so hast du dich getäuscht. Er hat dich nur geholt, weil er Damon Routhland in seine Gewalt bringen und umbringen will.“
„Mr. Routhland läßt sich in keine plumpe Falle locken. Dafür ist er viel zu klug.“
Marie blieb stehen und schürzte verächtlich die Lippen. „Erzähl mir keine Märchen. Du hast, scheint’s, wirklich keine Ahnung von den Männern. Für ein Weib stürzt sich so ein Kerl kopfüber in die nächstbeste Gefahr, nur weil ihm das Hirn in die Hose gerutscht ist. Ich wette mit dir, daß Damon Routhland nach dir giert wie der Hengst nach einer rossigen Stute.“
Die gewöhnlichen Ausdrücke der Frau verursachten Royal körperliche Übelkeit. „Man kann wohl kaum von Ihnen erwarten, daß Sie sich vorstellen können, was im Kopf eines Gentleman wie Mr. Routhland vorgeht“, sagte sie kalt. „Sie kennen nur Wilde wie Ihren Mr. Murdock.“
Ein Lächeln boshafter Genugtuung zuckte über Marie Grimmets Gesicht, als sie den Mann anstarrte, der gerade hinter Royal getreten war. Noch bevor Royal sich umdrehte, wußte sie, daß es nur Vincent Murdock sein konnte.
„So, Schätzchen, Sie halten mich also für einen Wilden? Darüber werden wir uns noch unterhalten.“
Royal bemerkte, daß er sich rasiert hatte, wahrscheinlich auch gewaschen. Seine Haare glänzten naß. Er blickte Royal aus den schwarzen Augen gierig an und schnippte mit den Fingern gegen Marie. „Laß uns allein.“
„Ich denk nicht dran“, gab sie heftig zurück.
Er ergriff sie am Arm und schob sie zur Tür hin. „Verschwinde, und laß dich so schnell nicht wieder blicken. Ich kann dich nicht mehr sehen.“
Marie zögerte am Eingang und hielt sich gerade so weit entfernt, daß sie flüchten könnte, wenn er ihr zu nahe käme. „Aber dein Schätzchen macht sich nichts aus dir, das hast du gerade gehört. Auf den Knien wirst du zu mir zurückgerutscht kommen, wenn sie sich die kleinen Füßchen an dir abgeputzt hat, deine feine Lady.“
„Hau ab“, brüllte er, und Marie ergriff nun doch die Flucht.
Royal hätte viel darum gegeben, hätte auch sie das tun können. Dennoch sah sie so hochmütig wie nur möglich auf Murdock und zuckte mit keiner Wimper. Es stand zu hoffen, daß er das Spiel nicht durchschaute.
„Wagen Sie es nicht, mich anzurühren“, sagte sie von oben herab.
In seinen tückischen dunklen Augen lag ein Ausdruck von Hochachtung. Er wies auf das Bett, doch Royal schüttelte nur stumm den Kopf.
„Eigentlich sollte ich Ihnen böse sein, weil Sie mich einen Wilden genannt haben. Aber ich bin entschlossen, es Ihnen nicht nachzutragen. Sie sind eine außergewöhnliche Frau. Ich möchte mich mit Ihnen unterhalten, weiter nichts.“
„Was hätten wir einander schon zu sagen? Ich schätze es nicht, wenn man mich aus meinem
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