Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
gekünstelt. Mit neugierigem Ausdruck sah sie sich im Raum um, so als schätzte sie im Geist bereits den Wert der kostbaren Einrichtung.
Da Royal neben dem ältesten Sohn der Familie, Simon, saß, mußte sie unter halbgesenkten Lidern zu ihm hinaufschielen. Er war Anfang der Zwanzig, hatte das dunkle Haar und die Augen der Mutter und war wie der Vater eher untersetzt. Simon Bradford verschlang seine junge Cousine förmlich mit den Blicken auf eine Art, die Royal abstieß, und grinste selbstgefällig, als er bemerkte, daß sie zusammenzuckte, weil er sein Knie an das ihre drückte. Sie rückte betont ihren Stuhl von dem des Cousins weg und widmete sich der Speisenfolge. Trotzdem stocherte sie mit der Gabel auf dem Teller herum und wünschte sich sehnlichst, das Abendessen möge schnell vorübergehen.
Victor Bradford hatte die Zügel des Hauses so unübersehbar an sich gerissen, daß sich Royal im eigenen Heim wie ein Eindringling vorkam. Am Vortag hatte sie ihn dabei ertappt, wie er in der Bibliothek in den persönlichen Papieren ihres Vaters stöberte, und ihn deshalb zur Rede gestellt. Er hatte sie daraufhin ein aufsässiges Kind gescholten, das der Erziehung dringend bedürftig sei, und sie barsch hinausgeschickt.
Als er sich nun bedeutungsvoll räusperte, stieg die Spannung im Speisezimmer noch an. Wollte er etwa eine Rede halten?
„Wie findest du meinen Sohn Simon?“ fragte er und sah Royal lauernd an. „Ich weiß, er ist um etliches älter als du. Aber in Anbetracht deines schwierigen Charakters bin ich der Meinung, daß du einen solchen Ehemann brauchst, der dir deine eigensinnige Art austreibt.“
Royal begriff überhaupt nicht, wovon die Rede war, und schaute die drei Bradfords verblüfft an. Anscheinend erwarteten sie eine Antwort, denn alle drei musterten sie gespannt.
„Ich kenne Ihren Sohn doch kaum, Sir.“ Ihr Blick traf Simon mit unübersehbarer Abneigung. „Trotzdem bin ich ganz sicher, daß wir einander niemals verstehen werden“, erklärte sie mit der ihr eigenen Offenherzigkeit, zu der ihr Vater sie stets ermutigt hatte. „Und er ist ja wirklich viel älter als ich.“
Victor Bradford beachtete die Ablehnung seines Sohnes nicht. „Mit der Zeit werdet ihr einander schon näherkommen.“ Er lächelte verschlagen. „Außerdem ist es nicht ungewöhnlich, wenn Cousins einander heiraten, umso mehr, als ihr nur solche dritten Grades seid.“
Royal war entsetzt, als sie endlich begriff. Victor Bradford wollte sie mit seinem unausstehlichen Ältesten verkuppeln. Draußen in der Küche hatte Alba geräuschvoll ein Stück Porzellan fallenlassen.
Royal sprang heftig auf und rief zornig: „Ich bin noch viel zu jung, um an die Ehe zu denken, Sir. Und wenn ich jemals heiraten sollte, dann ganz gewiß nicht Ihren Sohn.“
Victor Bradford wehrte ungerührt ab, und ohne auf Royals bestürzte Miene zu achten, fuhr er fort: „Nimm gefälligst zur Kenntnis, junge Dame, daß ich derlei Ungezogenheiten nicht dulde. Dein Vater hat dir viel zuviel Freiheit gelassen, aber das werde ich schnell ändern. Ich betrachte mich bereits als dein Vormund, und als solcher kümmere ich mich um deine Zukunft. Und deshalb wirst du meinen Sohn Simon heiraten.“
„Sie irren sich, Cousin Victor, wenn Sie glauben, daß ich jemals im Leben einen wie Ihren Sohn heirate.“ Ein vernichtender Blick streifte den blasierten jungen Mann, doch im Innersten schauderte es Royal. Mit einem lüsternen Lächeln ließ Simon Bradford einen abschätzigen Blick über ihre noch kindhaften Formen gleiten.
„An dir ist auch nicht gerade viel dran, Royal“, stellte er fest, ohne sich um ihre offensichtliche Geringschätzung zu scheren. „Du bist unverschämt, launisch und für meinen Geschmack auch viel zu dürr. Aber es wird mir ein Vergnügen sein, dich zu zähmen.“
Royal hielt die Lehne ihres Stuhles so fest umklammert, daß die Handknöchel weiß hervortraten. Der Auseinandersetzung müde, maß sie den Cousin mit einem verächtlichen Blick. „Das wirst du niemals tun, Simon Bradford.“ Damit wandte sie sich unmutig an Victor Bradford. „Und Sie sind noch nicht mein Vormund. Erst nach der Testamentseröffnung werden wir wissen, was mein Vater bestimmt hat. Bis dahin vergessen Sie beide nicht, daß Sie Gäste in diesem Haus sind. Und benehmen Sie sich entsprechend, wenn ich bitten darf.“
Zornesröte stieg Victor Bradford in den feisten Nacken. „Ich verbitte mir diesen Ton, Mädchen“, schnaubte er wütend. „Wer sollte
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