Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
fühlte sich so elend, das Thema angeschnitten zu haben. Er hatte schon so unendlich viel für sie getan. Endlich sprach er wieder.
„Seien Sie ganz beruhigt, Royal. Natürlich sind Sie immer noch im Besitz eines beträchtlichen Vermögens. Waren Sie nicht nach Savannah zurückgekehrt, hätten Sie weiterhin in England davon zehren können.“
„Ich bin doch nur zu Mr. Greenburg gegangen, weil ich Sie nicht länger mit allen meinen Angelegenheiten belasten möchte. Und er war ganz sicher, daß nichts mehr von Vaters Erbe da ist.“
„Er war der Advokat Ihres Vaters, aber seitdem ich die Vormundschaft übernommen habe, mag er wohl nicht mehr so recht auf dem laufenden sein“, wich Damon Routhland unsicher aus. „John Bartholomew kümmert sich darum. Ich werde ihn wissen lassen, daß er von nun an Ihnen persönlich monatlich Bericht erstatten soll. Entschuldigen Sie, daß das nicht schon früher geschehen ist. Aber Sie verstehen, daß ich in diesen Tagen nicht persönlich nach Swanhouse Plantation gehen kann, weil es von Ihren Freunden, den Engländern, ziemlich scharf bewacht wird. Und es würde ihnen ein seltenes Vergnügen bereiten, nehme ich an, mich in die Hände zu bekommen.“
Royal faßte seinen Arm und flüsterte erschrocken: „Dennoch begeben Sie sich in Gefahr, um mich zu sehen?“
Er zögerte einen Herzschlag lang. „Ich darf mich ziemlich sicher fühlen. Es sei denn, Sie erwarten Colonel Campbell zum Abendessen.“
„Darüber sollten Sie nicht scherzen“, mahnte sie ernst. „Es tut mir leid, daß ich mit Ihnen über Geld spreche. Aber Sie haben über all die Jahre diese Sachen für mich erledigt, und so bin ich völlig unwissend.“
„Sie hatten recht, als Sie mir vorwarfen, John hätte sich mehr um Sie gekümmert als ich. Dennoch bitte ich Sie, ihn auch weiterhin als Ihren Berater zu betrachten.“
„Ich danke Ihnen. Sie haben es mir möglich gemacht, einfach in den Tag hineinzuleben, ohne einen Gedanken an meine Zukunft zu verschwenden. Und nun belästige ich Sie dafür noch mit Fragen.“ Sie hob den Kopf und schaute zum Himmel hinauf, an dem sich das tiefe Violett der Dämmerung zusehends vertiefte.
„Ich habe ziemlich viel nachgedacht seit unserem letzten Gespräch“, fuhr sie fort. „Es ist so verwirrend, zwischen zwei Welten zu stehen und eigentlich in keine wirklich zu gehören. Können Sie sich vorstellen, wie mir dabei zumute ist?“
„Langsam fange ich an zu ahnen, daß ich Sie besser nicht nach England geschickt hätte. Dann wäre Ihnen dieser Zwiespalt erspart geblieben.“
„Nein, Ihre Entscheidung damals war richtig. Das habe ich längst verstanden und Sie immer schon dafür bewundert.“
Sie bemerkte, daß er auf ihren Mund schaute, auf den Hals, und wußte, daß er sich an die Vorfalle in dem Landhaus in Charles Town erinnern mochte.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte er: „Sie haben eine viel zu hohe Meinung von mir, Royal. Ich bin ein Mann wie jeder andere auch und erliege nur allzuleicht der Versuchung durch eine schöne Frau, wie es jedem Mann unter solchen Umständen ergeht.“
„Soll das vielleicht eine Art Rechtfertigung sein?“ fragte Royal und lächelte scheu.
„Ja, ich bitte Sie, mein Benehmen an jenem ersten Abend zu vergeben.“
„Es war ebenso meine Schuld.“
„Gewiß. Trotzdem sollten Sie es vergessen. Und niemals, hören Sie, niemals dürfen Sie einem Mann so mitspielen wie mir.“ Er umklammerte ihre Schultern. Royal wünschte sich, den Kopf dagegen zu lehnen und sich in Damon Routhlands Armen geborgen zu fühlen.
Schnell gab er sie wieder frei und trat in den Schatten zurück. „Ich weiß nicht, wann wir uns wiedersehen können. Sagen Sie niemandem, daß ich heute hier gewesen bin.“
„Ich würde Sie niemals verraten“, flüsterte sie, doch die hohe Gestalt war bereits in der Dunkelheit verschwunden. Royal stand noch längere Zeit reglos da und überlegte, ob sie Damon Routhland auf irgendeine Art und Weise verletzt haben mochte.
*
Damon Routhland war die ganze Nacht durch geritten, um in die Sümpfe zu gelangen, in denen er Murdocks Schlupfwinkel vermutete. Endlich stieg der Rauch einiger Lagerfeuer über den Bäumen auf. Er hatte sich also nicht getäuscht und war auf der richtigen Fährte. Routhland sprang vom Pferd, zog die Flinte aus dem Sattelhalfter und schlich vorsichtig weiter. Bestimmt hatten die Banditen Wachposten aufgestellt und waren bereits durch die Annäherung aufgestört worden.
Damon Routhland
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