Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras
Wasser. Erleichtert ging sie weiter; dabei verfluchte sie in Gedanken erneut die Bewohner der Anarchovegetarischen Union. Die Wälder von Gashiri waren wildreich, in den Flüssen wimmelte es von Fischen, die herrlichsten großen Vögel nisteten in den Flußniederungen, und sie mußte sich tagaus tagein von Korn, Obst, Gemüse und seltsam gewürzten Mischungen ernähren.
Als sie glaubte, weit genug vom Lager entfernt zu sein, ließ sie sich am Rand des Treidelpfads nieder, zog das Funkgerät aus der Gürteltasche und schaltete es ein. Sie drückte den Knopf, der den Peilton auslöste. Dabei behielt sie die Umgebung im Auge.
Cadhras hatte sich noch nicht gemeldet, als sie eine un deutliche Bewegung wahrnahm. Hastig schaltete sie das Ge rät wieder aus, stellte es auf den Boden und stand auf.
Eine Gestalt glitt die Böschung herab. Es war Tontarg.
»Wen haben wir denn hier? Unsere hübsche kleine Toyami vielleicht, etwa bei einem verbotenen Fischessen?«
Sie schwieg. Tontarg ging um sie herum. Das Funkgerät war in der Dunkelheit nicht auszumachen.
»Oder eine Verabredung mit einem Fleischfresser?« Er trat nah an sie heran, und sie roch seinen unangenehmen Atem. Das Weiße der Augäpfel schimmerte.
»Was willst du von mir?« fragte sie ruhig.
Tontarg fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Sehen, was du hier nachts treibst. Und mit wem.«
Toyami trat einen Schritt zurück, um dem zudringlichen Atem zu entgehen, aber der Mann folgte. Er legte die rechte Hand an Toyamis Hüfte.
»Laß mich los«, sagte sie, immer noch ruhig und kühl.
»Warum?«
»Weil ich deine Hand nicht mag. Dich übrigens auch nicht.«
Er legte auch die andere Hand an das Mädchen. »So, du magst mich nicht? Wir sind aber alle Geschwister in der großen Gemeinschaft, und Geschwister haben einander zu lieben.« Er zog Toyami an sich und suchte ihren Mund.
Sie bewegte den Kopf zur Seite. »Laß mich los, Tontarg«, sagte sie halblaut. »Oder es wird dir leid tun. Verbotene Zweisamkeit.«
Er erneuerte seinen Versuch, preßte dabei seinen Unterleib gegen sie.
Toyami seufzte und stieß ihm aufgestellte Daumen in beide Achselhöhlen; gleichzeitig trat sie auf seine Füße. Er ließ einen Laut hören, in dem sich Schmerz und Verblüffung mischten, wollte zurückweichen und stürzte der Länge nach hintenüber, als Toyami auf seinen Füßen stehenblieb und sich gegen ihn lehnte. Aneinandergeklammert rollten sie einige Sekunden auf dem Pfad, bis Toyami sich lösen konn te. Als er auf die Knie kam und die Hände ausstreckte, setzte sie ihm einen Fuß vor die Brust und stieß ihn zurück. Sie hörte ein Knirschen, sah, wie Tontarg sich zuckend streckte; dann lag er still.
Sie wartete eine Minute, lauschte, aber Tontarg schien ihr als einziger gefolgt zu sein. Er bewegte sich nicht. Sie kniete neben ihm nieder; da erst sah sie den unnatürlichen Winkel, den Nacken und Körper bildeten, und entdeckte die massige Wurzel des Eisenbaums.
Toyami biß sich auf die Lippen. Sie kauerte am Ufer nieder und wusch sich die Hände. Ein Unfall, sicherlich; sie hatte ihn gewarnt, sie hatte die Wurzel nicht sehen können, niemand hätte vorhergesagt, daß Tontarg so unglücklich fal len würde. Aber nun war es geschehen. Sie spritzte sich Wasser ins Gesicht.
Beim Kampf mußte jemand mit dem Fuß das Funkgerät erwischt haben. Sie fand es weit von der Stelle entfernt, wo sie es abgestellt hatte. Sie kroch über den Pfad und tastete im Dunkeln herum. Schließlich schlossen sich ihre Finger um das zertrümmerte Plastikgehäuse. Hoffnungslos versuch te sie ein paar Schaltungen. Dann schleuderte sie das Gerät in den Fluß.
Sie kauerte wieder neben dem Leichnam nieder. Viel Zeit blieb nicht. Bis zum Morgengrauen vielleicht fünfeinhalb Stunden, höchstens.
Natürlich kannte sie die Karte von Gashiri auswendig; da für hatte Barakuda gesorgt. Das Land der AVU glich grob einem Trapez; die lange Küste mit Buchten, Halbinseln und Kaps erstreckte sich fast 1600 Kilometer ostwestlich. Im Osten und Westen bildeten unterbrochene Systeme von Bergketten und Hochmooren die Grenzen, die ungefähr 2000 Kilometer nach Süden liefen und von Festungen gesichert waren. Die Südgrenze schließlich war fast 2500 Kilometer lang und ähnlich ungerade wie die Küste.
Der Gashigar entsprang in den Bergen des äußersten Südostens, bewässerte einige Hochtäler, durchbrach Gebirge und floß dann zunächst nach Norden, schließlich nach Nordwesten. Sie befand sich etwa 1000
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