Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras

Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras

Titel: Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
an Wild. Am vergangenen Abend hatte sie ein kleines Wildtier erlegt, um die karge Kost aufzubessern, die sie im Gepäck mit sich führte. Nach den ersten Bissen hatte sie sich übergeben.
    Im Osten brach die Nacht auf, wie Haut, die von Graufäu le befallen ist und sich zu zersetzen beginnt. Das Pferd äste auf der Wiese, unmittelbar vor den Büschen, hinter denen sie lag. Im Wald zelebrierten Millionen Vögel ihren Morgenlärm.
    Die Entlohnung für die meisten Arbeiten in Gashiri bestand in Naturalien – Verpflegung, Unterkunft, Gebrauchsgegenstände, soweit diese nicht ohnehin der Kommune gehörten. Obwohl offiziell von der Außenwelt abgeschlossen, betrieben die Anarchovegetarier verdeckten Handel mit an deren Gebieten auf Shilgat, meist mit Hilfe der überall unauffälligen Mischlinge. Zu diesem Zweck hatte Gashiri eigene Münzen geprägt, Gold- und Silberfoldar, die überall auf Shilgat akzeptiert wurden, weil sie den Shil-Münzen entsprachen. Nach den spartanischen Anfängen hatte sich in Gashiri ein gewisser Konsum entwickelt. Da Boden, Gebäu de, Tiere und Menschen der Kommune gehörten, Dienstleistungen wie Medizin und Transport frei waren, gab es nur geringen Geldbedarf, vor allem zur Befriedigung ästhetischer Privatbedürfnisse oder Genüsse außerhalb der Kommune. Brot und Wasser und ein Bett standen jedem zu; wer etwa Tabak rauchen, Alkohol trinken oder Vergnügungsreisen unternehmen wollte, brauchte Geld. Deshalb entwickelte sich gegen alle Grundsätze der Anarchovegetarischen Union ein halbherziges Leistungs- und Vergütungssystem. Arbeitserfüllung galt als normal, nur Übererfüllung wurde mit Geld entlohnt. Toyami hatte gelegentlich bis zu einem Foldar pro Zehntag verdient und wußte, daß dazu sehr viel Arbeit gehörte.
    Tontargs Geldkatze hatte Münzen im Gesamtwert von fast 1000 Foldar enthalten. Daß er das Geld am Gürtel getragen hatte, bewies, daß er es nicht unrechtmäßig – durch Diebstahl oder Unterschlagung – erworben haben konnte. Die Treidler hatten nur die Last abzuliefern – folglich konn te Tontarg nicht mit großen Handelsaufträgen betraut worden sein.
    Es gab nur eine sinnvolle Erklärung. Tontarg mußte zur hierarchischen Spitze gehört haben – zu jener anonymen Gruppe von AVs, deren Ämter nicht der Funktionsrotation unterlagen. Wahrscheinlich war er Hochkontrolleur gewesen. Natürlich wußte man in Gashiri, daß zumindest das Gouvernement von Cadhras Agenten unterhielt; außerdem gab es immer wieder Versuche der inneren Abweichung. Die Kontrolleure waren eine Art Geheimpolizei, arbeiteten verdeckt und standen über den einfachen Ordnern, die sich um tägliche Probleme wie Mord, anstößigen Privatismus oder Realitätsverfälschung {4} zu kümmern hatten. Kontrolleu re überwachten subtilere Vorgänge; sie betrachteten Menschen als zweischichtig, zusammengesetzt aus faßbarer, kommuner persona und unfaßbarer subkommuner persona . Ihre Aufmerksamkeit galt den Ausuferungen der atavistischen Individualität, die als immaterielles Fossil angesehen wurde und den eigentlichen kommunen, weiterentwickelten Menschen verhinderte. Sie kümmerten sich nicht um heimliche Fischfresser. Ihre Aufgabe war es, Dossiers über Kommunarden anzulegen, tatsächliche oder potentielle Abweichungen aufzuzeichnen und bei Realitätsverfälschungen die innere Struktur der Pseudorealität zu analysieren. Daraus ergaben sich Schlüsse auf den an dieser spezifischen falschen Realität möglicherweise interessierten Personenkreis. Wenn sie beschlossen, eine im Ort A manifest gewordene Pseudorealität könne tausend Kilometer entfernt in B eine bestimmte Person infizieren, weil deren subversive Fossilität empfänglich für die spezifische Unwahrheit sein mochte, genügte dies, um die infizierbare, wiewohl noch nicht infizierte Person vorsorglich auszuschalten, in Zwangsarbeitslager zu stecken oder vorbeugend zu reindoktrinieren. (Bei dieser »Wahrwaschung« wurde die kommune persona durch Drogen, Folter und verbale sowie hypnotische Manipulationen zerstört und durch eine andersartige ersetzt. Es galt als sicher, daß durch das Verfahren auch die subversive, subkommune bzw. prä-kommune persona geändert wurde.)
    Toyami hatte Gerüchte gehört, denen zufolge Hochkontrolleure mit größeren Geldsummen versucht haben sollten, Cadhrassi-Agenten zu kaufen. Dies ließ, wenn es stimmte, nur den Schluß zu, daß Aktionen vorbereitet wurden oder bereits abliefen, zu deren Durchführung man Informationen von

Weitere Kostenlose Bücher