Barbara
durchsichtig und vollkommen, nirgendwo eine dunklere Stelle bis auf die Spur einer zarten blauen Ader, fast wie ein Schatten, an der einen Seite ihres Halses. Ihre Augen waren riesengroß, leuchtend und grün, eingesäumt von unglaublich langen Wimpern, die eindeutig zu fein waren, um falsch zu sein. Die Wimpern und die Augenbrauen waren von dunklem Rot.
»Warten auf Rock Hudson, der über den Horizont heranreitet«, dachte Leslie. »Oh, schon wieder Kino!«
»Wie willst du es formulieren ?« die Rote unterbrach ihre Gedanken.
»Wie bitte, was?«
»Ich meine, wir wissen, warum du hier bist, aber wie willst du es formulieren ? Wo du zum ersten Mal hierher kommst ?«
»Ich bin einfach neugierig .«
»Wie neugierig?«
»Sehr .«
»Dann bleib hier. Du wirst soviel kennen lernen, wie du wünschst.«
Bald setzten sich andere Mädchen an den Tisch. Klein Doris kam mit einem bezaubernden Geschöpf vom Tanzen zurück, dessen Wesen in all seinen Äußerungen genau dem eines 14jährigen Norman Rockwell glich. Sie wirkte gesund und sauber gewaschen und interessierte sich leidenschaftlich für Baseball, worüber sie mit jedem und allen diskutieren wollte. Noch ein kesser Vater war dabei, sie hieß Sal. Und war noch kräftiger und ungeschlachter als Klein Doris. Sals Hände glitzerten in der Dunkelheit, ihre Finger steckten voll mit billigen klotzigen Ringen.
Und noch andere. Eine Lady, Typ Bryn Mawr , Lehrerin an einem vornehmen Mädchencollege. Das kurzhaarige, stark geschminkte, geschmeidige junge Mädchen, das Leslie schon früher bemerkt hatte. Die Unterhaltung bestand aus lebhaftem Tratsch über Liebesaffären und Nicht-Liebesaffären, Tratsch über Ereignisse in der Künstlerwelt von Provincetown und über gegenseitige Bekannte überall. Alle waren sehr herzlich und fürsorglich zu Leslie und erklärten ihre Anspielungen auf Abwesende. Ein paar von den Mädchen nahmen sie beiseite und erzählten ihr vertraulich, woher sie kamen, wen sie kannten, und so weiter. Die beiden kessen Väter unterschieden sich im Wesen vollkommen von den anderen. Sal, die Dicke, war lächerlich naiv. Mit einer Kleinmädchenstimme äußerte sie sich bewundernd über das Haar irgendeiner anderen oder bekümmerte sich tief über die Erzählung einer bösartigen Geschichte. »Nein, so etwas!« Und ihre beringten Fäuste fuhren blitzend durch die Dunkelheit, um ihren piepsenden Protest zu unterstreichen. Klein Doris sprach kaum verständlich und gab bissige Bemerkungen von sich. Sie freute sich sündhaft über jede Geschichte von jemandem, der in Schwierigkeiten steckte, und knurrte flüsternd über »Huren«. Ein-, zweimal während des Abends sah Leslie wie Klein Doris in einer Ecke auf das eine oder andere Mädchen lebhaft einredete. Diese Unterhaltungen schienen immer enttäuschend für sie auszugehen und sie kam dann wieder schweigend und säuerlich an den Tisch zurück. Ein paarmal war Leslie in den anderen Raum gegangen und hatte mit einem der Mädchen getanzt. Einmal mit dem Schuljungen à la Norman Rockwell, der genau wie ein Schuljunge tanzte. Zweimal mit der Roten. Als sie beim zweiten Mal in die Bar zurückkamen, bemerkten sie, daß eine merkwürdige Stille im Raum herrschte. An ihrem Tisch standen sich Klein Doris und Sal gegenüber. Klein Doris kanzelte Sal in ihrem monotonen Baß ab. »Du blöde Hure. Du arschdumme Fettfotze. Fräulein Schwanz-im-Maul. Du Sack voll fetter Scheiße !«
Sal stand da und schaute kalt auf ihren kleineren Gegner.
»So kannst du nicht mit mir reden...« Der Barkeeper kam an den Tisch. »He, raus, macht euern Scheiß draußen oder ihr fliegt achtkantig für immer raus .« Ohne ein weiteres Wort steuerten die beiden kessen Väter auf die Tür zu. Die meisten der Anwesenden folgten ihnen schweigend. Die Rote Doris nahm Leslie bei der Hand und führte sie hinaus. Die Luft draußen versetzte allen einen Schlag: kalt und ruhig nach dem Rauch und Lärm in der Bar. Es war sehr spät und die Seitenstraße ausgestorben. Alle Geschäfte, selbst die letzten Touristenläden, waren längst geschlossen. Eine Laterne brannte am Ende der Straße nahe am Ufer. Dort hatten sich die Lesbierinnen im Kreis versammelt. Leslie spürte die Drinks in der durchdringenden Luft in den Kopf steigen und wurde einen Moment lang weich in den Knien. Sie lehnte sich leicht an die Rote und schüttelte den Kopf, um klar zu werden. Sie näherten sich dem äußeren Ring des Kreises und reckten die Hälse.
In der Mitte kämpften die
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