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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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wuchsen in den Boden zurück, vergingen. Einer flüchtete. Das war bislang noch nicht da gewesen, dass einer tatsächlich zu entkommen suchte. Der Barbar setzte ihm nach und ließ es nicht zu.
    Er forderte die nächsten sechs. Mehr. Mehr! Es konnte endlos so weitergehen. Er war der Falkengott. Kelwor. Er hatte eine Vision von einer engen Straße in einer Stadt. Eine gekenterte Sänfte. Blut hoch bis zu den Ziegeln der Gebäude. Die Vision versank im ungerührten Himmelsteich. Er konnte fliegen, wenn er das wollte, und die Welt von oben betrachten. Die Mauern wichen und gaben ihr Innerstes frei. Die Mauern brachen. Auch ohne Drachen.
    Die nächsten sechs kamen. Rannten. Stürmten auf ihn zu. Ihr Trillern vibrierte vor Furcht. Sie mussten etwas unterbinden, was schon längst durch nichts mehr aufzuhalten war.
    Aus ihren Mündern rauchte Verzweiflung.
    Er hielt stand. Wirbelte seine Äxte. Brach Knochen und Schädel. Zerdrosch Fleisch. Zeit verfloss im Dunkel der Bewegungen. Es war, als würde ein Jahr vergehen, ohne dass die Sterne ein einziges Mal blinzelten.
    Und dann veränderte sich etwas. Jetzt war nichts mehr einfach. Etwas war überschritten worden. Diese sechs waren stärker als die anderen oder hatten aus deren Fehlern gelernt. Jede Sechsergruppe beobachtete wahrscheinlich aus sicherer Deckung, was sich auf dem Kampfplatz abspielte. Diese sechs waren unbesiegbar. Oder er wurde müde und alt. Oder mit seinen Waffen stimmte etwas nicht mehr. Jedenfalls wichen sie aus oder parierten, oder es schien ihnen nichts auszumachen, wenn er sie unwiderlegbar traf. Es war, als hätte er sie mit Staubwedeln gestreichelt anstatt mit Äxten aus Stein.
    Sie spielten ihn sich zu wie einen Ball. Er spürte etwas in sich aufsteigen, das ihm nicht vertraut war: Verzweiflung. Und mit der Verzweiflung wie auch mit der Ratlosigkeit: Wut. Diese allumfassende Wut, die alles zerschlagen und aus allem ausbrechen wollte.
    Er zerschlug ihren Kreis, indem er aufstieg wie ein Falke. Zum Fliegen schien er zu müde und zu schwer, aber er sprang, benutzte dabei die Äxte, um sich wie an in die Finsternis getriebenen Steighaken in die Höhe zu schnellen. Er überwand die Umzingelung. So brach er aus und entkam in den Wald.
    Alles war nun Dunkelheit. Das Blut in seinen Ohren rauschte so laut, dass er nicht erkennen konnte, ob die sechs ihm folgten. Vielleicht war es ihnen untersagt, den Kampfplatz zu verlassen. Ein wilder Triumph zerriss ihm beinahe die Brust. Dieses Gefühl zeigte ihm, dass er lebte. Und warum er lebte.
    Anfangs war er ohne Richtung. Doch dann holten seine Wildnisinstinkte ihn wieder ein. An den Bäumen konnte er die Himmelsrichtung spüren. An der Strömung der Flüsse den ungefähren Weg, den er gekommen war, nachvollziehen. Einmal benutzte er sogar die Losung eines Hirsches, um an ihr abzulesen, ob die großen Tiere, deren Spuren er auf dem Hinweg gesehen hatte, hier ihr Jagdrevier hatten oder nicht.
    Er beneidete den Falken, der den Wald einfach überqueren konnte, ohne dessen Ende jemals aus den Augen zu verlieren.
    Je weiter er kam, desto vollständiger vergaß er den Namen Kelwor.
    Die Nacht bestand aus Tannennadeln, Windfunken und vorüberstürzenden Stämmen.
    Niemand folgte ihm.
    In dem Zelt, das aussah, als wäre es aus Menschenhaut genäht, roch es nach Kartoffelsuppe und den Eingeweiden eines Orakelmarders.
    Der Kommandant blickte kaum auf. Er kratzte Pickel an seinem Hals, während er eine komplizierte und widersprüchliche Kostenaufstellung studierte. »Ahh! Mein schweigsamer Freund! Und? Erfolg gehabt?«
    Der Barbar nickte.
    »Der Scheißkerl hat kein Gesicht mehr?«
    Der Barbar nickte.
    Der Kommandant ächzte und blickte auf. »Kannst du nicht anständig antworten?«
    Der Barbar nickte weder, noch schüttelte er den Kopf. Aber er trug in jeder Hand eine blutige, haarige Steinaxt.
    Der Kommandant hielt dem durchdringenden Blick des Barbaren stand. Dann entkrampfte er sich ein wenig, rollte in den Schultern. »Was war noch mal dein Lohn?«
    Der Barbar hob die linke Axt und deutete auf den Helm.
    »Ach, ja. Mein Helm. Verstehe das einer. Nimm ihn dir und pack dich.«
    Der Barbar nahm sich den Helm, setzte ihn auf, schnallte den Kinngurt fest und verließ das Zelt.
    Nur wenige Tage später trat an seiner statt der Adjutant ein.
    »Sie errichten eine neue«, sagte er. »Hat man gerade gemeldet.«
    »Eine neue was ?«
    »Götterstatue. Auf einer anderen Lichtung. Sie sind sehr schnell damit.«
    Der Kommandant lachte

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