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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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klatschte, und die übrigen Kuttenträger fielen in das Klatschen mit ein. Auch der Bucklige, der Barde, der Magistrat und der eine oder andere Diener klatschten. Sogar einige der Musiker auf der Balustrade erhoben sich, sodass sie sichtbar wurden, und klatschten.
    Man applaudierte ihm.
    Klatschte.
    Es klang wie das Prasseln von Regen auf einer ärmlichen Hütte.
    Er hatte schon Applaus erlebt. In einem Theater mit derben Schwänken, und auch, wenn Tänzerinnen ihre Darbietung beendet hatten. Aber noch niemals hatte der Applaus ihm gegolten. Er verzog keine Miene, überlegte jedoch, ob dieses Prasseln überhaupt etwas Gutes war oder ob das affektierte Händezusammenschlagen ursprünglich dazu gedient haben mochte, böse Geister zu vertreiben. Die Gesichter der Applaudierenden jedenfalls drückten Wohlwollen und sogar Rührung aus. Sie waren alle wie Frauen jetzt, auch die Männer. Wo war das Essen? Warum roch es nach Soße, aber nirgendwo war Braten? Warum waren die Kinder nackt, aber alle anderen trugen diese beinahe fleischfarbenen Gewänder?
    Der Oligarch machte einen gleitenden Halbschritt an ihn heran und raunte ihm ins Ohr: »Mir ist natürlich nicht entgangen, dass Euer Aufzug mit unbekleideter Brust und zerschlissener Hose so ganz und gar nicht den militärischen Gepflogenheiten entspricht. Aber es steht schlecht in dem Krieg, nicht wahr? Die Wälder zu groß. Die Wilden zu zahlreich und fremd. Ich sagte es immer: Lasst ihnen doch einfach ihre Wälder. Wer braucht denn schon Wälder? Wir können doch in den Städten nach unserer Laune selig werden.« Er zwinkerte und berührte nun auch den Barbaren, diesen im Nacken, am unteren Rand des Helms, fast wie vor einer Umarmung. Der Barbar zuckte zusammen, seine Mundwinkel verzogen sich nach unten wie zu einem Grollen. Die Hand des Oligarchen war ausgesprochen kalt.
    Die Musikanten wagten einen Tusch.
    Der Barde, der als Einziger noch nicht von dem Oligarchen berührt worden war, winselte vor Entbehrung.
    Der Oligarch wandte sich nun wieder von seinen Gästen ab und klatschte erneut, ganz Zeremonienmeister, in die Hände. Die Kuttenträger fingen wieder an zu plaudern, während die Musikanten einen zweiten Tusch variierten.
    Das Öl in dem Kessel blubberte lauter und lauter.
    Den Gästen wurden Sitzplätze an einem der Tische zugewiesen. Die Kartenlegerin saß rechts von einer übergewichtigen Kuttenfrau, rechts von der Kartenlegerin der Barde, rechts von diesem der Magistrat, rechts von diesem der Barbar, rechts von diesem war der Tisch zu Ende. Die Stühle waren gepolstert. Der Barbar nahm zum ersten Mal in seinem Leben auf einem gepolsterten Sitzmöbel Platz und wippte etwas unbehaglich auf dem Polster auf und ab.
    Der Oligarch ging nach ein paar instruktiven Sätzen an die Dienerschaft zu seinem Stuhl, der auch nicht prächtiger war als die der anderen, blieb noch stehen und sagte: »Mögen unsere heutigen Festlichkeiten nunmehr beginnen – ich denke, wir haben uns alle ausreichend in Geduld geübt. Lasset uns die Zukunft miteinander verkosten, meine lieben, teuren Freunde und Weggefährten. Ein Jahr ist wieder um. Es gilt, die Ernte einzufahren.« Man prostete ihm zu, er verneigte sich in gespielter Bescheidenheit, setzte sich und prostete zurück. Der Barbar lehrte sein geschliffenes Kristallglas in einem einzigen Zug. Der Magistrat sabberte die Hälfte aus seinen kichernden Mundwinkeln. Der Barde versuchte einen beherzten Schluck und nickte anschließend mit tränenden Augen anerkennend in die Runde. Die Kartenlegerin nippte nur. Unverzüglich war ein Diener zur Stelle, um das Glas des Barbaren erneut mit hellgelbem, beinahe weißgolden leuchtendem Wein zu füllen. Der Barbar stürzte auch diesen hinunter. Erneut wurde ihm nachgefüllt. Ein drittes Mal leerte er es. Ein drittes Mal füllte der Diener mit ungerührter Miene nach.
    Der Barbar lächelte nun beinahe unter dem Helm, der die Zaubermacht besaß, ihm Seltsamkeiten zu bescheren wie ein niemals versiegendes Weinglas. Vielleicht hatte der Kommandant ihn deshalb nur so zögerlich hergeben wollen.
    Der Wein breitete sich in seinem Kopf aus wie Gold. Alles war hier golden. Kerzen überschwemmten nicht nur die Kristallleuchter, auch auf den Tischen standen welche, verzerrten ihr Licht zu Sternen, die Spiegel vervielfältigten, die Spiegel warfen hin und her und hin und her, bis in dunkler werdender Verkrümmung Tausende von Kerzen in Reihen schimmerten.
    Der Oligarch gab ein Zeichen nach oben, indem er mit

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