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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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hatte es vergessen. Das Gesicht sagte ihm nichts. Ein vollkommen nichtssagendes Gesicht. Nichtssagend war das Gleiche wie mundtot. Wie stumm. Aber es war noch nicht genug. Das Öl prasselte noch immer. Und das Öl war noch nicht mal das Schlimmste. Die Kinder hatten es ja wenigstens hinter sich. Aber die Eltern. Die stolzen, stolzen Eltern. Sie zeugten weiter und setzten in die Welt, um zu … um zu … genießen ?
    Er griff nach dem nächsten, kaum dass dieser stand. Und weg war er.
    Sein Gegenüber blinzelte. Jetzt war er doch ein wenig aus der Fassung. Fragte sich wahrscheinlich, wie es möglich war, sich nach so vielen Bechern noch auf den nächsten zu freuen . Aber es war möglich. Es war möglich. Wenn man die richtigen – oder die falschen – Dinge gesehen hatte.
    Er nickte.
    Er trank.
    Gleichstand. Erneut.
    »Noch einen.«
    Es gab Zuschauer. Die raunten, machten anerkennende Geräusche. Wetteten. Einer von ihnen hatte gefurzt. Einer stank unter den Armen, immer dann, wenn er einem anderen ein Geldsäckel hinhielt, um es zu setzen. Auf wen? Egal. Er kannte niemanden. Wollte niemanden kennen. Das Geld der anderen war ihm egal. Geld war ihm egal. Andere waren ihm egal.
    Er wollte vergessen.
    Er wollte sich das Hirn, dieses quälende, sinnlose Organ, vernichten. Er wollte sich den Schädel aufreißen und es hinausklauben in die Gosse. Trug er eigentlich noch den Helm? Er tastete danach. Es brauchte eine Weile, bis er erkannte, dass der Federbusch nicht seine Haare waren und die Lederriemen links und rechts nicht seine Ohren. Er trug ihn noch. Er hatte ihn nicht abbekommen. Dieser verfluchte Kinnriemen umschlang ihn wie ein Fluch. Wie hatte das geheißen?
    Kommen dann.
    Kamm und Dank.
    Klammerntand.
    Da stand ja schon wieder einer. Ein voller alleine unter vielen leeren. Runter damit.
    Sein Gegner griff nach seinem und verfehlte. Dann beugte er sich leicht zur Seite und kotzte. Beinahe durchsichtigen Brei, der sehr stark roch. Kotzte ein paar Schübe. Die Zuschauer wichen zurück. Einige zeterten. Andere lachten schadenfroh. Wischte sich den Mund ab. Grinste. Die Augen nun beinahe gerade. Genau genommen aber traf ihn keines von beiden. Und trank. Mit neuer Kraft.
    »Noch einen«, sagte er, bevor der Schiedsling es sagen konnte. Der jedoch ließ sich nicht beirren.
    »Noch einen.«
    Wieder zwei Becher. Die Becher tanzten. Der Tisch wölbte sich. Wie der Bauch einer schwangeren Frau, höher und höher, bis alles platzte und nach … nach Mundtotmacher roch und Erbrochenem.
    Komm und tanz .
    Er griff und trank.
    Kammerntrank .
    Der Gegner grinste. Nickte. Trank ebenfalls.
    »Noch einen.«
    »Noch einen.«
    Diesmal wusste er nicht, ob der Gegner es auch gesagt hatte oder der Schiedsling zweimal oder ob er es nur zweimal gehört hatte. Er besaß ja schließlich zwei Ohren, warum also sollte es nicht möglich sein, zweimal zu hören? Er grinste über die Bedeutung seines Mundes.
    Sein Gegner grinste ebenfalls.
    Weil er betrunken war? Weil sie beide betrunken waren? Weil sie sich näher waren als irgendwelche anderen Menschen auf der Welt, jetzt, in diesen Momenten, weit draußen im milchigen Meer toter Münder?
    Zwei neue Becher. Einer vor jedem. Sie leuchteten beinahe.
    Wie viele Becher konnten der Schiedsling und sein Fassjunge eigentlich aufbieten? Wie viele Becher gab es auf der Welt? Was, wenn sie sie alle aufbrauchen würden? Sich verbünden, verbrüdern, um gegen alles zu bestehen?
    Er trank.
    Sein Gegner nickte und trank. Jüngergekotzt.
    »Noch einen.«
    Runter.
    »Noch einen.«
    Runter.
    »Noch einen.«
    Alles drehte sich jetzt. Es gab keinen Sinn. Das Fass und die Becher ließen sich nicht bezwingen. Zwischen den Ohren rauschte es wie Muscheln. War dies das Sterben des Hirns? Ertranken endlich, endlich die Erinnerungen?
    Kummertang.
    Woran hatte er sich erinnern wollen? Es war weg. Schnell jetzt. Bevor es wiederkam.
    »Noch einen.«
    »Noch einen.«
    »Noch einen.«
    »Noch einen.«
    Die Zuschauer raunten. Einige bekamen es mit der Angst zu tun, konnten schon kaum noch hinschauen. Ihre Augen wurden ungerade wie die des Gegners, der schon wieder kotzte, einfach so im Sitzen, aus dem Mund und aus der Nase. Er schien es nicht zu bemerken. Es stank grauenhaft. Er nickte jedes Mal, trank, zog nach, erbrach dabei in rülpsenden Schwällen.
    Er mogelte.
    Das begriff der Barbar nun. Indem der Gegner den Schnaps nicht bei sich behielt, sondern ununterbrochen ausschwemmte, betrog er.
    Aber er hatte auch einen

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