Barbarossa, Botticelli und die Beatles
Ideen.
Seit dem Sommer 1665 wütet die Pest in Südengland, an der über 100 000 Menschen sterben. Die Universität von Cambridge schließt ihre Tore und der 23-jährige Student Isaac Newton kehrt vorübergehend auf die Farm seiner Familie in Lincolnshire zurück. Als er eines Mittags unter einem Apfelbaum liegt, so will es die Legende, fällt ihm eine Frucht auf den Kopf. Newton überlegt: Die Anziehungskraft der Erde hat die Frucht fallen lassen. Gilt sie überall? Auch im Weltraum und im Verhältnis des Laufs der Planeten? Und wenn ja, wie?
Als der Große Brand von London 1666 nicht nur große Teile der Stadt in Asche legt, sondern auch die Pesterreger ausräuchert, kehrt Newton 1667 nach Cambridge zurück und wird Professor. Doch es dauert noch Jahre, bis er seine Theorie veröffentlicht. In dem 1687 erschienenen Buch Philosophiae Naturalis Principia Mathematica beschreibt er schließlich das vom Apfel inspirierte Gravitationsgesetz: Körper mit größerer Masse ziehen Körper mit kleinerer Masse an. Da der Mond kleiner als die Erde ist, wird er von ihr angezogen, die Fliehkraft jedoch hält ihn auf seiner Ellipsenbahn. Diese Bahn hat Johannes Kepler 1609 beschrieben, die Gründe dafür aber nicht erklären können. Die liefert nun Newton. Gleich mehrere Phänomene der Natur erklärt er damit auf mathematischem Wege, so auch das Prinzip von Ebbe und Flut.
Newton hebt mit seiner Gravitationstheorie nicht nur die moderne Physik aus der Taufe, sondern verändert den Blick auf die Welt und das Universum. Demnach verhält sich die Erde zu den anderen Himmelskörpern nach dem gleichen Gesetz wie diese zueinander. Raum und Zeit sind unendlich und absolut.
Newton stirbt 1727 hochbetagt und hochgeehrt. Er hat noch unabhängig von Leibniz die Infinitesimalrechnung begründet, außerdem Epochales auf dem Gebiet der Optik geleistet. Obwohl oft hochfahrend, rachsüchtig, misstrauisch und egozentrisch, bleibt eine Geste der Demut: »Wenn ich weiter sehen konnte, so deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen stand.«
Gottfried Wilhelm Leibniz, universeller Denker zwischen den Zeiten
Gottfried Wilhelm Leibniz lebt von 1646 bis 1716
1652: Während in einer südenglischen Dorfschule die außergewöhnliche Begabung des jungen Bauernsohns Isaac Newton zunächst unerkannt bleibt, wühlt sich, um seinen Schmerz zu betäuben, der sechsjährige Gottfried Wilhelm Leibniz in Leipzig durch die Bibliothek seines gerade verstorbenen Vaters, eines Professors für Moralphilosophie. Lesen, Griechisch und Latein bringt sich der trauernde Junge selbst bei.
Nach dem Studium der Rechtswissenschaften wird Leibniz vom Bischof von Mainz nach Paris geschickt, um Ludwig XIV. zu einem Ägyptenfeldzug zu überreden. Man will dessen Machtdrang von Europa ablenken. Der Sonnenkönig lehnt ab. Über ein Jahrhundert später wird sich Napoleon an die von Leibniz überbrachten Eroberungspläne erinnern.
Leibniz verdient sein Auskommen von seinem 30. Lebensjahr bis zu seinem Lebensende als Hofrat und Hofbibliothekar des Herzogs von Hannover. Finanzieller Sorgen enthoben, kann er dem Ideenfeuerwerk in seinem Kopf nachgehen. Oft hat er so viele Einfälle, »dass der Tag nicht ausreichte, um sie niederzuschreiben«. Friedrich der Große nennt ihn »eine Akademie für sich«.
Leibniz entwirft Unterseeboote, arbeitet Münzreformen aus, konstruiert eine Rechenmaschine und stellt das Dualsystem vor, das später zur Basis der Computerprogrammierung wird. Unabhängig von Newton entwickelt auch er die Infinitesimalrechnung. Wie nebenbei denkt er über den Menschen und seinen Bezug zur Welt nach. In seiner tiefen Gläubigkeit schmerzt Leibniz, dass die Harmonie aller Dinge zu zerfallen scheint. Die Trennung von Leib und Seele bei Descartes missfällt ihm. Der absolute Raum von Newton auch. Wo bleibt Gott? Wo bleibt dieEinheit des Daseins? Körper und Seele sind für Leibniz nicht verschieden, sondern nur verschiedene Ausprägungen von Monaden, die er als kleinsten »Kraftpunkt« des Daseins begreift: jede gestaltlos, einzigartig und unveränderbar von außen. Monaden seien »die wahrhaften Atome der Natur und, mit einem Worte, die Elemente der Dinge«.
In den historischen Religionen sieht Leibniz nur Ausprägungen einer universalen, natürlichen Religion, zu der sich aller Glauben vereinen wird. Berühmt wird Leibniz’ Theodizee, die Rechtfertigung Gottes für das Übel in der Welt. Gott habe »die beste aller möglichen Welten« geschaffen und den Sinn
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