Barcelona 01 - Der Schatten des Windes
Dienste Dritter im Bunde mit Ihnen in Verbindung setzen. Bitte geben Sie das Wesentliche dieser Botschaft verschlüsselt und mit aller Diskretion meiner Liebsten weiter. Unternehmen Sie nichts. Ihr Freund, der dritte Mann,
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Eben wollte ich das Blatt noch einmal durchlesen, als jemand an die WC-Tür klopfte.
»Darf man eintreten?« fragte eine unbekannte Stimme.
Das Herz schlug mir bis zum Hals. Da ich nicht wußte, was ich sonst tun sollte, zerknüllte ich das Zigarettenpapier und steckte es in den Mund. Ich spülte und nutzte das Rauschen von Leitungen und Spülkasten, um das Papierkügelchen hinunterzuschlucken. Es schmeckte nach Wachs und Sugus. Als ich die Tür öffnete, erblickte ich das kriecherische Lächeln des Polizisten, der noch vor Augenblicken vor der Buchhandlung gestanden hatte.
»Verzeihen Sie. Ich weiß nicht, ob es wegen dem Regen ist, den ich den ganzen Tag höre, aber ich muß mal dringend, um es so zu sagen …«
»Aber selbstverständlich«, sagte ich und ließ ihn durch.
»Fühlen Sie sich wie zu Hause.«
»Vielen Dank.«
Der Polizist, der im Licht der Glühbirne wie ein Wiesel aussah, schaute mich von oben bis unten an. Sein Kloakenblick fiel auf das Meßbuch in meinen Händen.
»Ohne irgendwas zu lesen, geht es bei mir einfach nicht«, sagte ich.
»Genau wie bei mir. Und dann heißt es, die Spanier lesen nicht. Borgen Sie es mir?«
»Da oben auf dem Spülkasten ist die letzte Empfehlung des nationalen Kulturrats. Damit liegen Sie goldrichtig.«
Ohne die Haltung zu verlieren, ging ich zu meinem Vater zurück, der dabei war, mir eine Tasse Milchkaffee zu machen.
»Was will der denn?« fragte ich.
»Er hat mir geschworen, er scheißt gleich in die Hose. Was sollte ich tun?«
»Ihn auf der Straße lassen – so wäre ihm warm geworden.«
Mein Vater runzelte die Stirn.
»Wenn es dir nichts ausmacht, geh ich gleich nach oben.«
»Ja, natürlich. Und zieh dir trockene Sachen an, sonst kriegst du noch eine Lungenentzündung.«
In der Wohnung war es kalt und still. Ich ging in mein Zimmer und spähte aus dem Fenster. Die zweite Wache stand noch immer da unten, vor dem Eingang zur Kirche Santa Ana. Ich zog die nassen Kleider aus und schlüpfte in einen warmen Pyjama und einen Morgenmantel, der meinem Großvater gehört hatte. Dann legte ich mich aufs Bett, ohne auch nur das Licht anzuknipsen, und überließ mich dem Halbdunkel und dem Prasseln des Regens auf den Scheiben. Ich schloß die Augen und versuchte Beas Bild, Berührung und Geruch heraufzubeschwören. In der vergangenen Nacht hatte ich kein Auge zugetan, und bald übermannte mich die Müdigkeit.
Als ich erwachte, dämmerte durch die beschlagenen Scheiben grau der Morgen herein. Ich zog mich warm an, mit halbhohen Stiefeln. Dann ging ich leise auf den Gang hinaus, tastete mich durch die Wohnung und glitt auf die Straße hinaus. In der Ferne leuchteten schon die Lichter der Kioske auf den Ramblas. An dem bei der Einmündung zur Calle Tallers kaufte ich die erste Ausgabe des Tages, die noch nach frischer Farbe roch. Eilig blätterte ich mich durch die Seiten zu den Todesanzeigen. Nuria Monforts Name stand unter einem Kreuz, und ich spürte, wie mir die Augen flackerten. Mit der zusammengefalteten Zeitung unter dem Arm machte ich mich auf die Suche nach Dunkelheit. Die Beerdigung fand an diesem Nachmittag auf dem Friedhof des Montjuïc statt. Auf einem Umweg ging ich wieder nach Hause. Mein Vater schlief noch. In meinem Zimmer setzte ich mich an den Schreibtisch und zog den Füllfederhalter aus seinem Etui. Ich nahm ein weißes Blatt Papier und wünschte mir, er möchte mich lenken. Doch in meinen Händen hatte er nichts zu sagen. Umsonst suchte ich nach den Worten, die ich Nuria Monfort anbieten wollte, aber ich war unfähig, irgend etwas zu schreiben oder zu empfinden außer der unerklärlichen Angst, die mir ihr Fehlen verursachte. Schattenhaft gehst du hin, dachte ich. So, wie du gelebt hast.
29
Kurz vor drei Uhr nachmittags stieg ich auf dem Paseo de Colón in den Bus, der mich zum Friedhof des Montjuïc bringen sollte. Durchs Fenster sah man den Wald von Masten und flatternden Wimpeln im Hafenbecken. Der fast leere Bus fuhr um den Montjuïc-Hügel herum und nahm dann die Straße hinauf zum Eingang dieses großen Stadtfriedhofs. Ich war der letzte Fahrgast.
»Wann kommt denn der letzte Bus vorbei?« fragte ich den Fahrer.
»Um halb fünf.«
Vor dem Friedhofseingang stieg ich aus. Eine Zypressenallee erhob sich im Dunst. Sogar von hier
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