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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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aus, zu Füßen des Hügels, erkannte man die unendliche Totenstadt, die immer weiter den Hang hinaufgewachsen war, bis sie die Kuppe überschritten hatte. Ein Labyrinth aus Gräbern, Grabsteinen, monumentalen Mausoleen, von Feuerengeln gekrönten Türmen, bemoosten Steinstatuen, die im Morast versanken. Ich atmete tief durch und ging hinein. Meine Mutter war etwa hundert Meter von diesem Weg entfernt begraben. Bei jedem Schritt spürte ich die Kälte dieses Ortes, den Schrecken der in vergilbten Fotomedaillons zwischen Kerzen und verwelkten Blumen festgehaltenen Gesichter. Kurz danach konnte ich in der Ferne die um das Grab herum angezündeten Gaslaternen sehen. Ein halbes Dutzend Menschen standen vor einem aschfarbenen Himmel. Ich beschleunigte meine Schritte und blieb stehen, sobald ich die Worte des Priesters vernehmen konnte.
Der Sarg, eine Kiste aus unpoliertem Pinienholz, lag auf dem Lehm. Auf ihre Schaufeln gestützt, bewachten ihn zwei Totengräber. Ich betrachtete mir die Anwesenden. Der alte Isaac, der Aufseher des Friedhofs der Vergessenen Bücher, war nicht zur Beerdigung seiner Tochter gekommen. Ich erkannte Nuria Monforts Etagennachbarin, die unter Kopfschütteln weinte, während ihr ein abgehärmter Mann tröstend den Rücken streichelte, vermutlich ihr Mann. Neben ihnen stand eine etwa vierzig Jahre alte Frau, die einen Blumenstrauß trug. Sie weinte lautlos und mit zusammengepreßten Lippen, den Blick vom Grab abgewandt. Ich hatte sie noch nie gesehen. Etwas abseits der Gruppe befand sich in seinem grauen Mantel, den Hut auf dem Rücken, der Polizist, der mir am Vortag das Leben gerettet hatte, Palacios. Er schaute auf und beobachtete mich einige Sekunden, ohne mit der Wimper zu zucken. Die blinden, sinnentleerten Worte des Priesters waren das einzige, was uns von der schrecklichen Stille trennte. Ich betrachtete den mit Lehm besprenkelten Sarg und stellte mir vor, wie Nuria Monfort drin lag, und merkte nicht, daß ich weinte, bis die Unbekannte in Grau zu mir trat und mir eine Blume aus ihrem Strauß gab. Ich blieb stehen, bis sich die Gruppe zerstreute und die Totengräber auf ein Zeichen des Priesters ihre Arbeit zu verrichten begannen. Ich steckte die Blume in die Manteltasche und ging, unfähig, das Lebewohl auszusprechen, das ich mitgebracht hatte.
Es begann zu dämmern, als ich zum Friedhofseingang kam, und ich nahm an, ich hätte den letzten Bus verpaßt, so daß ich mich darauf einrichtete, eine lange Wanderung zu machen, und auf der Straße losmarschierte, die den Hafen entlang nach Barcelona zurückführte. Etwa zwanzig Meter vor mir parkte ein schwarzes Auto mit eingeschaltetem Licht. Im Innern rauchte jemand eine Zigarette. Als ich näher kam, öffnete mir Palacios die Beifahrertür.
»Komm, ich bring dich nach Hause. Um diese Zeit wirst du hier weder einen Bus noch ein Taxi finden.«
Ich zögerte einen Augenblick.
»Ich geh lieber zu Fuß.«
»Red keinen Unsinn. Steig ein.«
Er sprach mit dem schneidenden Ton dessen, der zu befehlen gewohnt ist und sofortigen Gehorsam erwartet.
»Bitte«, fügte er hinzu.
Ich stieg ein, und er ließ den Motor an.
»Enrique Palacios«, sagte er und streckte mir die Hand entgegen. Ich ergriff sie nicht.
»Wenn Sie mich auf dem Paseo de Colón absetzen, ist mir schon gedient.«
Mit einem Ruck fuhr der Wagen an. Wir legten ein gutes Stück zurück, ohne ein Wort zu sagen.
»Ich möchte, daß du weißt, daß mir das mit Señora Monfort sehr leid tut.«
Aus seinem Mund kamen mir diese Worte wie eine Obszönität, als Beleidigung vor.
»Ich danke Ihnen, daß Sie mir neulich das Leben gerettet haben, aber ich muß Ihnen sagen, daß es mich einen Dreck interessiert, was Sie empfinden, Señor Enrique Palacios.«
»Ich bin nicht das, was du denkst, Daniel. Ich möchte dir helfen.«
»Wenn Sie erwarten, daß ich Ihnen sage, wo Fermín ist, können Sie mich gleich hier absetzen.«
»Es interessiert mich einen feuchten Staub, wo dein Freund ist. Ich bin jetzt nicht im Dienst.«
Ich sagte nichts.
»Du hast kein Vertrauen zu mir, und ich kann es dir nicht verdenken. Aber hör mir wenigstens zu. Das alles ist schon zu weit gediehen. Diese Frau hätte nicht zu sterben brauchen. Ich bitte dich, die ganze Geschichte fahrenzulassen und diesen Mann, Carax, für immer zu vergessen.«
»Sie reden, als wäre das, was da geschieht, mein Wille. Ich bin nur Zuschauer. Die Vorstellung bestreitet Ihr Chef mit Ihnen und Ihren Kollegen.«
»Ich habe die Beerdigungen satt, Daniel. Ich

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