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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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zum Pathos neigender Mann, unter dessen Kommando er im Korps Einzug hielt.
»Polizist sein ist keine Arbeit, es ist eine Mission«, verkündete Durán. »Spanien braucht mehr Männer mit Schneid und weniger Kaffeekränzchen.«
Leider verlor Oberleutnant Durán bei einem spektakulären Unfall während einer Razzia in Barcelona bald das Leben. In der Hitze des Gefechts mit einigen Anarchisten war er durch ein Oberlicht über fünf Stockwerke in die Tiefe gestürzt. Stolz nahm Fumero seinen Posten ein, im Wissen, daß er gut daran getan hatte, ihn zu schubsen, denn Durán war schon zu alt für die Arbeit. Fumero widerten die Alten ebenso an wie Krüppel, Zigeuner und Schwule, mit oder ohne Muskeltonus. Manchmal irrte sich selbst Gott, und es war die Pflicht eines jeden integren Menschen, solche kleinen Fehler zu korrigieren und die Welt sauberzuhalten.
Einige Wochen nach ihrer Begegnung im Café Novedades fühlte sich Jorge Aldaya allmählich besser und sprach sich Fumero gegenüber aus. Er bat ihn um Verzeihung, daß er ihn als Halbwüchsiger so schlecht behandelt hatte, und erzählte ihm seine ganze Geschichte, ohne etwas auszulassen. Fumero hörte ihm schweigend zu, nickend, aufnehmend. Dabei fragte er sich, ob er Aldaya gleich umbringen oder noch etwas zuwarten sollte. Aber tatsächlich machte ihn die Geschichte neugierig, insbesondere was Julián Carax betraf.
Aus den Informationen, die er vom Verlag Cabestany bekommen hatte, wußte er, daß Carax in Paris lebte, aber Paris war eine riesige Stadt, und im Verlag schien niemand seine genaue Adresse zu kennen. Niemand außer einer Frau namens Monfort, die sich weigerte, sie preiszugeben. Zwei-, dreimal war ihr Fumero unbemerkt gefolgt, wenn sie den Verlag verlassen hatte. Er hatte sogar in der Straßenbahn einen halben Meter neben ihr gestanden. Frauen nahmen ihn nie wahr, und wenn sie es doch taten, schauten sie gleich wieder weg.
Julián Carax war die einzige Person, die Fumero zu töten sich vorgenommen hatte, ohne es bislang zu schaffen. Vielleicht weil er der erste gewesen war, und mit der Zeit lernt man schließlich alles. Als er diesen Namen nun wieder hörte, lächelte er auf die Art, die die Frauen der Nachbarwohnung so erschreckte, sich langsam die Oberlippe leckend. Noch erinnerte er sich, wie Carax im Aldaya-Haus in der Avenida del Tibidabo Penélope küßte. Seine Liebe zu Penélope war eine keusche, wahrhaftige Liebe gewesen, dachte er, wie man sie im Film sah. Fumero ging zweimal wöchentlich ins Kino. Dort war ihm auch klargeworden, daß Penélope die Liebe seines Lebens gewesen war. Als er die letzten Teile von Aldayas Bericht hörte, beschloß er, ihn doch nicht umzubringen. Er freute sich sogar, daß das Schicksal sie wieder zusammengeführt hatte. Er hatte eine filmreife Vision: Aldaya würde ihm alle andern auf einem Silbertablett servieren.
6
    Im Winter 1934 schafften es die Geschwister Moliner endlich, Miquel aus dem Palast in der Puertaferrisa auszuweisen, der, vom Zerfall bedroht, bis auf den heutigen Tag leer steht. Sie hatten einzig den Wunsch, ihn auf der Straße zu sehen und ihm auch das wenige zu nehmen, was ihm noch geblieben war, seine Bücher und die Freiheit und Abgeschiedenheit, die sie beleidigte und mit tiefem Haß erfüllte. Er mochte mir nichts sagen und auch nicht bei mir Hilfe suchen. Ich wußte nur, daß er fast an den Bettelstab gelangt war, als ich ihn in seinem ehemaligen Zuhause aufsuchte und auf seine halsabschneiderischen Geschwister traf, die dabei waren, das Inventar des Besitzes zu erstellen und seine wenigen Gegenstände zu liquidieren. Schon seit mehreren Tagen übernachtete Miquel in einer Pension in der Calle Canuda, einem düsteren, feuchten Loch. Als ich das Zimmer sah, in das er verbannt war, eine Art fensterloser Sarg mit Gefängnispritsche, nahm ich ihn mit zu mir nach Hause. Er hustete pausenlos und sah abgemagert aus. Er sagte, es handle sich bloß um einen nicht ausgeheilten Katarrh, ein kleines Altjungfernübel, das irgendwann aus purer Langeweile wieder verschwinden werde. Nach zwei Wochen ging es ihm nur noch schlimmer.
    Da er immer schwarz gekleidet war, begriff ich erst nach längerer Zeit, daß die Flecken an seinen Ärmeln Blut waren. Ich rief einen Arzt, der mich, sowie er ihn untersucht hatte, fragte, warum ich ihn erst jetzt geholt habe. Miquel hatte Tuberkulose. Er war der gütigste, anfälligste Mensch, den ich je kennengelernt habe, mein einziger Freund. Wir heirateten an einem Februarmorgen

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