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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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kein Schiff mehr bestiegen, aber ich wußte, daß er manchmal allein fuhr.
    »Eine gute Nacht für die Reue, Daniel«, sagte die Stimme aus dem Schatten. »Zigarette?«
Ich sprang auf und spürte eine plötzliche Kälte im Leib. Eine Hand bot mir aus der Finsternis heraus eine Zigarette an.
»Wer sind Sie?«
Der Fremde trat bis an die Schwelle der Dunkelheit vor, so daß sein Gesicht verborgen blieb. Ein Hauch von blauem Rauch stieg von seiner Zigarette auf. Sogleich erkannte ich den dunklen Anzug und die in der Jackentasche versteckte Hand. Seine Augen glänzten wie Kristallkugeln.
»Ein Freund«, sagte er. »Oder wenigstens möchte ich das gern sein. Zigarette?«
»Ich rauche nicht.«
»So ist’s recht. Leider kann ich dir nichts anderes anbieten, Daniel.«
Seine Stimme war sandig, lädiert. Sie schleifte die Worte nach und klang gedämpft und fern wie die 78erSchallplatten, die Barceló sammelte.
»Woher wissen Sie meinen Namen?«
»Ich weiß vieles über dich. Der Name ist das Wenigste.«
»Was wissen Sie denn sonst noch?«
»Ich könnte dich beschämen, aber dazu habe ich weder Zeit noch Lust. Ich will nur sagen, daß ich weiß, daß du etwas hast, was mich interessiert. Und ich bin bereit, dir einen guten Preis dafür zu zahlen.«
»Ich glaube, Sie irren sich in der Person.«
»Nein, ich irre mich nie in der Person. In andern Dingen schon, aber nie in der Person. Wieviel willst du dafür?«
»Wofür?«
»Für Der Schatten des Windes .«
»Wie kommen Sie darauf, daß ich das Buch habe?«
»Das steht nicht zur Debatte, Daniel. Es ist nur eine Frage des Preises. Ich weiß schon lange, daß du es hast. Die Leute reden. Ich höre zu.«
»Dann müssen Sie sich verhört haben. Ich habe dieses Buch nicht. Und wenn ich es hätte, würde ich es nicht verkaufen.«
»Deine Redlichkeit ist bewundernswert, vor allem in diesen Zeiten der Aufpasser und Arschkriecher, aber mir gegenüber brauchst du keine Komödie zu spielen. Sag mir, wieviel. Tausend Duros? Geld spielt für mich keine Rolle. Den Preis bestimmst du.«
»Ich hab es Ihnen schon gesagt: Es ist weder zu verkaufen, noch habe ich es. Sie haben sich geirrt, wie Sie sehen.«
Der Fremde verharrte in Schweigen, regungslos, in den blauen Dunst der Zigarette gehüllt, die nie aufgeraucht zu sein schien. Ich bemerkte, daß sie nicht nach Tabak roch, sondern nach verbranntem Papier. Nach gutem, nach Buchpapier.
»Vielleicht bist du es, der sich jetzt irrt«, sagte er.
»Sie drohen mir?«
»Wahrscheinlich.«
Ich schluckte. Trotz meiner Großspurigkeit hatte ich größte Angst vor diesem Menschen.
»Und darf ich erfahren, warum Sie so daran interessiert sind?«
»Das ist meine Sache.«
»Meine ebenfalls, wenn Sie mir drohen, damit ich Ihnen ein Buch verkaufe, das ich nicht habe.«
»Du bist mir sympathisch, Daniel. Du hast Schneid und scheinst aufgeweckt. Tausend Duros? Damit kannst du dir einen Haufen Bücher kaufen. Gute Bücher, nicht diesen Schund, den du so eifersüchtig hütest. Na komm schon, tausend Duros, und wir bleiben gute Freunde.«
»Sie und ich, wir sind keine Freunde.«
»Doch, wir sind es, aber du hast es noch nicht gemerkt. Ich nehme es dir nicht übel, wo du so vieles im Kopf hast. Wie deine Freundin, Clara. Wegen einer solchen Frau verliert jeder den Verstand.«
Die Erwähnung Claras ließ mir das Blut in den Adern stocken.
»Was wissen Sie von Clara?«
»Ich wage zu behaupten, daß ich mehr von ihr weiß als du und daß es gut für dich wäre, sie zu vergessen, aber ich weiß natürlich, daß du es nicht tun wirst. Ich war auch einmal sechzehn …«
Schlagartig traf mich die schreckliche Gewißheit: Dieser Mann war der Fremde, der Clara inkognito auf der Straße ansprach. Er war wirklich. Sie hatte nicht gelogen. Er tat einen Schritt vorwärts. Ich wich zurück. Noch nie in meinem Leben hatte ich solche Angst gehabt.
»Clara hat das Buch nicht, besser, Sie wissen es. Wagen Sie es nicht, sie noch einmal anzurühren.«
»Deine Freundin ist mir egal, Daniel, und eines Tages wirst du derselben Ansicht sein. Was ich will, ist das Buch. Ich möchte es lieber im guten bekommen, so daß niemand Schaden leidet. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
Da mir nichts Besseres in den Sinn kam, begann ich zu lügen wie ein Schurke.
»Ein gewisser Adrián Neri hat es. Musiker. Vielleicht sagt Ihnen sein Name etwas.«
»Mir sagt er nur, daß du ihn wahrscheinlich erfunden hast.«
»Wie käme ich dazu?«
»Nun, da ihr offenbar so gute Freunde seid, kannst du ihn vielleicht

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