Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
bis Escobillas ihnen den Laufpass gab und drohte, ihnen einen Meuchelmörder auf den Hals zu hetzen, sollten sie ihre Zunge nicht im Zaum halten.
»Wie schön, dich zu sehen, David«, sagte die Giftige. »Du siehst besser aus, sehr gesund.«
»Es hat mich halt eine Straßenbahn überfahren. Ist Barrido da?«
»Was du immer für Ideen hast. Für dich ist er jederzeit da. Er wird sehr glücklich sein, wenn ich ihm sage, dass du uns besuchen kommst.«
»Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich.«
Sie führte mich in Barridos Büro, das aussah wie die Kulisse einer Schmierenkomödie, vollgepfropft mit Teppichen, Kaiserbüsten, Stillleben und ledergebundenen Bänden, die er en gros erworben hatte, wahrscheinlich waren es reine Attrappen. Barrido schenkte mir sein öligstes Lächeln und gab mir die Hand.
»Wir können es alle gar nicht erwarten, die neue Folge zu bekommen. Sie sollen wissen, dass wir die beiden letzten neu aufgelegt haben und dass man sie uns aus den Händen reißt. Fünftausend weitere Exemplare. Wie finden Sie das?«
Ich fand, es müssten mindestens fünfzigtausend sein, beschränkte mich aber auf ein unbeeindrucktes Nicken. Barrido und Escobillas hatten das, was in der Barceloneser Verlegerzunft doppelte Auflage genannt wurde, wie ein welkendes kostbares Blumenbouquet immer weiter mit frischen Blüten gestreckt. Von jedem Titel gab es eine offizielle Auflage von einigen tausend Exemplaren, wofür dem Autor eine lächerliche Beteiligung bezahlt wurde. Wenn das Buch danach gut lief, gab es in Wahrheit eine oder viele geheime Auflagen mit Zehntausenden von Exemplaren, für die der Autor keine Pesete sah. Diese konnte man von der ersten Auflage gut unterscheiden, denn Barrido ließ sie in einer alten Wurstfabrik in Santa Perpetua de Mogoda drucken, und beim Durchblättern schlug einem unverkennbar der Geruch nach geräucherter Paprikawurst entgegen.
»Ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten für Sie.«
Barrido und die Giftige wechselten einen Blick, ohne die Grimasse zu lockern. In diesem Augenblick materialisierte sich Escobillas in der Tür und schaute mich mit nüchtern-verdrießlicher Miene an, als nähme er mit bloßem Auge Maß für einen Sarg.
»Sieh nur, wer uns besuchen gekommen ist. Was für eine angenehme Überraschung, nicht wahr?«, fragte Barrido seinen Teilhaber, der bloß nickte und dann fragte:
»Was sind das für schlechte Nachrichten?«
»Sind Sie ein wenig im Rückstand, lieber Martín?«, fügte Barrido freundschaftlich hinzu. »Wir können uns sicher anpassen …«
»Nein. Es gibt keinen Rückstand. Es wird einfach kein Buch geben.«
Escobillas trat einen Schritt vor und zog die Brauen hoch. Barrido kicherte vor sich hin.
»Was heißt das, es wird kein Buch geben?«, fragte Escobillas.
»Das heißt, dass ich es gestern verbrannt habe und dass keine einzige Manuskriptseite mehr da ist.«
Ein unheilschwangeres Schweigen breitete sich aus. Barrido machte eine versöhnliche Handbewegung und deutete auf den sogenannten Besuchersessel, ein schwärzliches, eingefallenes Monstrum, in das man Autoren und Lieferanten quetschte, damit sie auf Barridos Augenhöhe zu sitzen kamen.
»Setzen Sie sich, Martín, und erzählen Sie. Etwas macht Ihnen Sorgen, ich sehe es. Sie können sich bei uns aussprechen, Sie gehören ja zur Familie.«
Die Giftige und Escobillas nickten voller Überzeugung und dokumentierten das Ausmaß ihrer Hochschätzung mit einem Blick berückter Ergebenheit. Ich blieb lieber stehen. Alle taten es mir gleich und schauten mich an wie eine Salzsäule, die jeden Moment zu sprechen beginnt. Barrido schien vor lauter Lächeln schon das Gesicht zu schmerzen. »Na?«
»Ignatius B. Samson hat sich umgebracht. Er hat eine Erzählung von zwanzig Seiten hinterlassen, in der er in enger Umarmung mit Chloé Permanyer stirbt, nachdem beide Gift geschluckt haben.«
»Der Autor stirbt in einem seiner eigenen Romane?«, fragte Herminia verwirrt.
»Das ist sein avantgardistischer Abschied vom Fortsetzungsroman. Ein Detail, bei dem ich mir sicher war, dass es Ihnen sehr gefallen würde.«
»Und könnte es nicht ein Gegengift geben oder …?«, fragte die Giftige.
»Martín, ich brauche Ihnen wohl nicht in Erinnerung zu rufen, dass Sie es sind und nicht der angeblich verstorbene Ignatius, der einen Vertrag unterschrieben hat«, sagte Escobillas.
Mit einer Handbewegung brachte Barrido seinen Kollegen zum Schweigen.
»Ich glaube, ich weiß, was mit Ihnen los
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