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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Nachmittags, da ich sie nach fast einer Woche Abwesenheit immer noch erwartete, im Glauben, sie sei es, die Tür öffnete und Pep davor stehen sah, einen der Diener aus der Villa Helius. Er brachte mir ein sorgsam versiegeltes Paket von Cristina, das Vidals vollständiges Manuskript enthielt. Pep erklärte mir, Cristinas Vater habe ein Aneurysma, das ihn praktisch zum Invaliden gemacht habe, und sie habe ihn in ein Sanatorium in den Pyrenäen gebracht, nach Puigcerdà, wo es anscheinend einen jungen Spezialisten für solche Krankheiten gab.
    »Señor Vidal hat sich um alles gekümmert«, sagte Pep, »ohne auf die Kosten zu achten.«
    Vidal vergaß seine Diener nie, dachte ich nicht ohne einige Bitterkeit.
    »Sie hat mich gebeten, Ihnen das persönlich zu übergeben. Und ich soll niemand etwas davon sagen.«
    Der Bursche überreichte mir das Paket, erleichtert, das mysteriöse Ding loszuwerden.
    »Hat sie dir irgendeinen Hinweis gegeben, wo ich sie notfalls finden kann?«
    »Nein, Señor Martín. Ich weiß nur, dass Señorita Cristinas Vater in einem Sanatorium namens Villa San Antonio eingewiesen worden ist.«
    Einige Tage später stattete mir Vidal einen seiner Impromptu-Besuche ab und blieb den ganzen Nachmittag über bei mir, trank meinen Anis, rauchte meine Zigaretten und sprach über das Unglück, das seinem Fahrer zugestoßen war.
    »Unglaublich. Ein baumstarker Mann, und fällt mit einem Windhauch bewusstlos um und weiß nicht einmal mehr, wer er ist.«
    »Wie geht es Cristina?«
    »Das kannst du dir ja vorstellen. Ihre Mutter ist schon vor Jahren gestorben, und Manuel ist ihr einziger Angehöriger. Sie hat das Familienalbum mitgenommen und zeigt es dem Armen jeden Tag in der Hoffnung, er erinnere sich an etwas.«
    Während Vidal sprach, lag der Stapel seines Romans – oder müsste ich sagen, meines Romans? – umgedreht auf dem Verandatisch, einen halben Meter von seinen Händen entfernt. Er erzählte, da Manuel derzeit nicht da sei, habe er Pep – anscheinend ein guter Reiter – gedrängt, sich in die Kunst des Autofahrens zu vertiefen, doch im Moment sei sein Fahrstil noch unmöglich.
    »Geben Sie ihm Zeit. Ein Auto ist kein Pferd. Das ganze Geheimnis besteht in der Übung.«
    »Jetzt, da du es sagst – Manuel hat dir Fahrstunden gegeben, nicht wahr?«
    »Ein paar«, gestand ich. »Und es ist nicht so leicht, wie es aussieht.«
    »Wenn sich dieser Roman, über dem du sitzt, nicht verkauft, kannst du immer noch mein Fahrer werden.«
    »Wir wollen doch den armen Manuel nicht vorzeitig beerdigen, Don Pedro.«
    »Eine geschmacklose Bemerkung«, gab er zu. »Tut mir leid.«
    »Und Ihr eigener Roman, Don Pedro?«
    »Ist auf gutem Weg. Cristina hat das fertige Manuskript nach Puigcerdà mitgenommen, um es ins Reine zu tippen.«
     
    »Ich freue mich, Sie so zufrieden zu sehen.« Vidal lächelte siegesgewiss.
    »Ich glaube, es wird etwas Großes werden. Nach so vielen schon verloren geglaubten Monaten habe ich die ersten fünfzig Seiten wieder gelesen, die Cristina abgetippt hat, und über mich selbst gestaunt. Ich glaube, auch du wirst staunen. Du wirst sehen, dass ich dir noch einiges beibringen kann.«
    »Daran habe ich nie gezweifelt, Don Pedro.«
    An jenem Nachmittag trank Vidal mehr als sonst. Mit den Jahren hatte ich gelernt, die ganze Bandbreite seiner Besorgnisse und Bedenken zu erkennen, und ich nahm an, dies war nicht einfach ein Höflichkeitsbesuch. Nachdem er meinen gesamten Anisvorrat liquidiert hatte, schenkte ich ihm ein großzügiges Glas Brandy ein und wartete.
    »David, es gibt Dinge, über die wir beide noch nie gesprochen haben …«
    »Über Fußball zum Beispiel.«
    »Ich meine es ernst.«
    »Ich höre, Don Pedro.«
    Er schaute mich lange an und zögerte.
    »Ich habe immer versucht, dir ein guter Freund zu sein, David. Das weißt du doch, nicht wahr?«
    »Sie sind sehr viel mehr gewesen als das, Don Pedro. Ich weiß es, und Sie wissen es auch.«
    »Manchmal frage ich mich, ob ich mit dir nicht hätte ehrlicher sein müssen.«
    »In welcher Beziehung?«
    Vidal tauchte den Blick in sein Brandyglas.
    »Es gibt Dinge, die ich dir nie erzählt habe, David. Dinge, über die ich mit dir vielleicht schon vor Jahren hätte sprechen müssen …«
    Ich ließ einen Augenblick verstreichen, der zu einer Ewigkeit wurde. Was immer Vidal mir auch erzählen wollte – es war klar, dass aller Brandy der Welt es nicht aus ihm herausbrächte.
    »Machen Sie sich keine Gedanken, Don Pedro. Wenn Sie Jahre damit

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