Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels
zurückhalten können.«
Tränen traten ihr in die Augen, und die Tasse in ihrer Hand zitterte.
»Bitte, Isabella, trinken Sie ein wenig. Es wird Ihnen guttun.«
Geistesabwesend trank sie zwei Schlucke.
»So, mit ein wenig Honig, schmeckt er am besten«, sagte Valls.
Sie trank ein paar weitere Schlucke.
»Ich muss Ihnen sagen, dass ich Sie bewundere, Isabella. Wenige Menschen hätten den Mut und die Ausdauer, sich für einen armen Teufel wie Martín einzusetzen – einen Mann, den alle verlassen und verraten haben. Alle außer Ihnen.«
Sie schaute nervös auf die Uhr über der Theke. Zehn Uhr fünfunddreißig. Nach zwei weiteren Schlucken trank sie die Tasse aus.
»Sie müssen ihn sehr schätzen. Manchmal frage ich mich, ob Sie mich mit der Zeit und wenn Sie mich besser kennen, so, wie ich bin, ebenso schätzen könnten wie ihn.«
»Sie widern mich an, Valls. Sie und der ganze Abschaum wie Sie.«
»Ich weiß, Isabella. Aber es ist der Abschaum wie ich, der in diesem Land immer das Sagen hat, und Leute wie Sie bleiben ewig im Schatten. Welche Seite auch immer am Drücker ist.«
»Diesmal nicht. Diesmal werden Ihre Vorgesetzten erfahren, was Sie tun.«
»Was bringt Sie auf den Gedanken, das könnte sie kümmern oder sie würden nicht genau das Gleiche tun oder noch viel mehr als ich, der ich ja nur ein Amateur bin?«
Valls lächelte und zog ein zusammengefaltetes Blatt aus der Jacketttasche.
»Isabella, Sie sollen wissen, dass ich nicht so bin, wie Sie denken. Und um es Ihnen zu beweisen – das ist das Entlassungsschreiben für David Martín, mit dem Datum von morgen.«
Er zeigte ihr das Dokument, und Isabella betrachtete es ungläubig. Valls zog seine Füllfeder hervor und unterzeichnete das Papier.
»So. Technisch gesehen, ist David Martín bereits ein freier Mann. Dank Ihnen, Isabella. Dank Ihnen …«
Sie warf ihm einen gläsernen Blick zu. Valls konnte sehen, wie sich ihre Pupillen langsam weiteten und ein Schweißfilm auf ihre Oberlippe trat.
»Geht es Ihnen gut? Sie sind ganz blass …«
Wankend stand sie auf und hielt sich am Stuhl fest.
»Ist Ihnen übel, Isabella? Soll ich Sie irgendwohin begleiten?«
Sie wich zurück und stieß auf dem Weg zum Ausgang mit dem Kellner zusammen. Valls blieb am Tisch sitzen und schlürfte seinen Tee, bis die Uhr Viertel vor elf zeigte. Dann legte er ein paar Münzen auf den Tisch und ging langsam auf den Ausgang zu. Das Auto erwartete ihn auf dem Gehsteig, und der Fahrer öffnete die Tür.
»Wünschen der Herr Direktor nach Hause oder ins Kastell gefahren zu werden?«
»Nach Hause, aber zuerst machen wir einen Zwischenhalt im Pueblo Nuevo, bei der alten Fabrik Vilardell.«
Unterwegs zur verheißenen Beute, betrachtete Mauricio Valls, zukünftige Koryphäe der spanischen Literatur, das Vorüberziehen schwarzer, menschenleerer Straßen in diesem verdammten Barcelona, das er so hasste, und vergoss Tränen um Isabella und das, was hätte sein können.
19
Als Salgado aus seiner Lethargie erwachte und die Augen öffnete, sah er als Erstes jemanden reglos vor der Pritsche stehen und ihn beobachten. Er spürte einen Anflug von Panik und wähnte sich für einen Moment wieder im Kellerraum. Ein Flackern des Lichts auf dem Gang zeichnete bekannte Züge.
»Fermín, sind Sie es?«
Die Gestalt im Schatten nickte, und Salgado atmete tief.
»Mein Mund ist ganz trocken. Ist noch etwas Wasser da?«
Fermín trat langsam näher. In der Hand hatte er einen Lappen und ein Glasfläschchen.
Salgado sah, wie er die Flüssigkeit auf den Lappen goss.
»Was ist das, Fermín?«
Fermín antwortete nicht. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos. Er beugte sich über Salgado und schaute ihm in die Augen.
»Fermín, bitte …«
Bevor er eine weitere Silbe aussprechen konnte, drückte ihm Fermín kräftig den Lappen auf Mund und Nase und presste seinen Kopf auf die Pritsche. Salgado wand sich mit letzter Kraft. Fermín drückte ihm weiter den Lappen aufs Gesicht, und Salgado sah ihn aus panikerfüllten Augen an. Wenige Sekunden später verlor er das Bewusstsein. Fermín zählte bis fünf, dann erst zog er den Lappen weg. Mit dem Rücken zu Salgado setzte er sich auf die Pritschenkante und wartete einige Minuten. Dann trat er an die Zellentür, so, wie es ihm Martín gesagt hatte.
»Wärter!«, rief er.
Er hörte die Schritte des Neulings auf dem Gang näher kommen. Martíns Plan war darauf angelegt, dass in dieser Nacht wie vorgesehen Bebo Schicht hatte und nicht dieser
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