Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)
Phönix setzte sich wieder auf seine Stange –, schob den Riegel beiseite, der die Käfigtür verschloss, und öffnete sie. Der Vogel verließ sein Gefängnis, warf der Elfe einen Blick zu, den man als dankbar interpretieren konnte, stieß einen Schrei aus und erhob sich in die Luft. Scheinbar ziellos begann er im Raum umherzufliegen.
Linara sah hastig zur Tür, um sich zu vergewissern, dass sie immer noch geschlossen war. Sie gönnte dem Phönix seine Freiheit, doch so rasch wollte sie ihn nicht ziehen lassen. Nein, jetzt noch nicht. Vielleicht gelang es ihr, durch ihn mehr über ihre eigenen Fähigkeiten der Kommunikation mit Tieren zu lernen. Zumindest aber wollte sie sich gebührend von ihm verabschieden.
Als sie sicher war, dass ihr neuer Freund nicht ohne ihre Hilfe aus dem Zimmer gelangen konnte, wandte sie sich ab, um das Gemach genauer zu untersuchen. Immerhin, so entsann sie sich nun wieder, war sie mit ihren Gefährten hierher gekommen, um Schätze zu finden. Naserümpfend sah sie auf die gammeligen Bücher und zurück zu den Gläsern, deren Inhalt sie lieber gar nicht kennen wollte. Hier gab es allerlei Schleimiges und Schlüpfriges, doch nichts, was in den Augen der Waldelfe von Wert war. Oder?
Eine schmale Truhe, die in einer Ecke stand, erregte Linaras Aufmerksamkeit. Zwei ineinander verschlungene Drachen aus Blattgoldauflage zierten den Deckel. Linara kniete nieder und hob ihn behutsam an. Jeder Dieb hätte bei dieser Handlung vermutlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, da gerade Magier ihre Schätze oft mit den einfallsreichsten Fallen vor unbefugtem Zugriff zu schützen wussten. Doch weder Giftpfeile, Blitze, Feuerstrahlen oder ähnlich unangenehme Abwehrmechanismen wurden ausgelöst.
In der Kiste lagen in roten Samt gewickelt zwei Schwerter, welche die Augen der jungen Elfe zum Strahlen brachten. Die goldenen Hefte hatten die Form von Drachen, wobei der Knauf den Kopf und die Parierstange ausgebreitete Schwingen darstellte. Der Schwanz setzte sich in einer geschwungenen Gravur auf der blank polierten Klinge fort. Die Augen der Drachen waren als leuchtende Edelsteine eingesetzt, Sternsaphire, in deren Inneren Magie zu pulsieren schien.
Indes hatte der Phönix auf einem Regal an der gegenüberliegenden Wand Platz genommen und umständlich aus einer Schale eine lange Kette mit einem Anhänger daran gepickt. Aufgeregt flatternd nahm er das Schmuckstück an sich. Im selben Moment begannen kleine Flämmchen an seinem Federkleid auf und ab zu tanzen.
Linara bekam von dem Treiben des Vogels nichts mit. Sie hatte nur Augen für die Zwillingsschwerter. Zögernd griff sie nach einem und hob es hoch. Ein Gefühl von Energie, das von der Waffe aufstieg, schien ihren Arm entlang und durch ihren gesamten Körper zu fließen – ein leichtes magisches Kribbeln. Prüfend wog Linara das Schwert in der Hand. Es war perfekt ausbalanciert.
Doch schon im nächsten Moment ließ sie die Waffe erschrocken fallen.
Eine schlanke Männerhand ergriff sie an der Schulter. Linara wirbelte herum und riss ihr eigenes Schwert aus der Scheide. Natürlich hätte sie sich diese Mühe sparen können, hätte sie das Drachenschwert nicht zu Boden befördert.
Ihr Gegenüber sprang einen Schritt zurück. Kaum einen Wimpernschlag später lagen zwei lange, schmale Dolche in seinen Händen, die er in einer reflexartigen Abwehrbewegung vor seinem Gesicht kreuzte. Stahl krachte gegen Stahl und Funken stoben nach allen Seiten.
»Haltet ein!«, rief der Mann und sprang noch einen Schritt rückwärts. Er schwankte leicht und hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten.
Linara richtete die Spitze ihres Schwertes auf sein Gesicht und fragte mit kalter Stimme: »Wer seid Ihr und wie seid Ihr hier hereingekommen?«
Vor ihr stand ein stattlicher junger Elf, der sie mit einem gewissen Maß an Neugierde ansah. Er ließ die Dolche sinken und antwortete mit einer Gegenfrage: »Wo ist der Phönix?« Der Anflug eines Lächelns zeigte sich auf seinen Lippen.
Linara gefiel dies ganz und gar nicht. Sie befürchtete eine Falle. Trotzdem riskierte sie einen raschen Blick in den Raum, während sich ihre Schwertspitze gefährlich der Halsschlagader des Elfenmannes näherte und nur wenige Millimeter davor verharrte, als würde sie hungrig darauf warten, die Erlaubnis zum Zustoßen zu erhalten. Ihr Gegenüber blieb regungslos stehen und wartete ab.
»Das weiß ich nicht, und es tut auch nichts zur Sa...«, begann Linara barsch mit
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