Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)
ihrer Antwort. Doch der Elf fiel ihr ins Wort.
»Er steht vor Euch.«
Diese Erklärung zeigte ihre Wirkung sogleich, doch auf eine Art und Weise, die der Elf nicht beabsichtigt hatte und keineswegs begrüßte. Die Augen der Waldelfe wurden groß vor Unglauben und die Spitze ihres Schwertes begann unruhig zu zittern, wobei sie seine Haut ritzte. Er bemühte sich, über den brennenden Schmerz hinwegzusehen, als sein Blut heiß seinen Hals entlang lief. Fieberhaft suchte er nach Worten, welche die junge Elfe besänftigen sollten.
»Ihr habt in den Augen des Vogels Aufrichtigkeit und Vertrauen gelesen. Nun, dann könnt Ihr Selbiges auch von mir erwarten, denn es war meine Seele, in die Ihr geblickt habt.«
Linara sah in die scharf gezeichneten Augen des Elfenmannes. Sie waren ernst, und irgendwie war da auch etwas von der Traurigkeit, die sie zuvor bei dem Phönix bemerkt hatte, doch die lag verborgen hinter einem Leuchten. Seine Augen strahlten geradezu in tiefem Grün, ein Grün wie ... das kleine Flämmchen in den Augen des Vogels, das sich nun wie ein brennender Ring um schwarze Pupillen ergoss. Pupillen, in denen Linaras Gedanken zu versinken drohten, hinfort gezogen, wie in die unendlichen Tiefen eines Sternenhimmels. In ihrer Vorstellung sah sie wieder den Phönix, wie er seine Schwingen ausbreitete und aufflog.
Linara schrak auf, wie jemand, der sich selbst beim Einschlafen ertappte. Sie riss sich mit Gewalt von dem Anblick los und sprang zurück.
»Was ist das für eine Magie, die Ihr gegen mich richtet?«, keuchte sie entsetzt. »Wie ist das möglich? Was seid Ihr, ein Gestaltenwandler oder einfach nur ein Illusionist?«
»Ich bin ein Elf wie Ihr«, entgegnete ihr Gegenüber ruhig. »Es läge mir fern, Euch mit einem Zauber zu belegen, selbst wenn ich es könnte. Warum sollte ich Euch etwas antun wollen, da Ihr es wart, die mich aus dem Griff dieses Schamanen befreite?«
Als sie nicht antwortete, fügte er hinzu: »Was ist es, das Ihr so fürchtet? Ihr lest in der Seele eines Tieres, erkennt sein innerstes Wesen und vertraut ihm. Warum verhält Ihr euch einem Elfen gegenüber nicht genauso?«
Linara brauchte einen langen Moment, um sich zu sammeln und ihre Gedanken zu ordnen. Immerhin war ihr nun klar, weshalb es ihr gar so leicht gefallen war, sich mit dem Phönix zu verständigen. Er hatte tatsächlich jedes ihrer Worte verstanden, jedoch nur, weil sie sich in Wahrheit mit einem Elfen unterhalten hatte. Linara war maßlos enttäuscht.
»Warum könnt ihr mir nicht vertrauen?«, wiederholte der Elf seine Frage.
Linara tat ihre Grübeleien mit einem Seufzen ab und sah ihr Gegenüber direkt an. »Es gibt etwas, das Elfen wie Menschen von den Tieren unterscheidet, und das ist die Lüge. Eine Katze peitscht mit dem Schwanz, bevor sie auf die Maus springt, ein Pferd legt die Ohren an, bevor es den Reiter beißt. Doch ein Elf lächelt Euch ins Gesicht und stößt gleichzeitig einen Dolch zwischen Eure Rippen hindurch in Euer Herz.«
Der Elf schlug betroffen die Augen nieder. »Wer hat Euch dermaßen tief verletzt, dass Ihr auf diese Weise von Eurem eigenen Volk denkt?«
»Ich weiß nichts von dem Volk, von dem Ihr sprecht. Ich bin bei Menschen aufgewachsen. Doch ich weiß, dass voreiliges Vertrauen noch keinem ein langes Leben beschert hat. Und ich weiß auch, dass sich Elfen nicht mir nichts dir nichts als Vögel in die Lüfte erheben können.« Meine Güte, sie hörte sich schon an wie Cirano, schoss es Linara durch den Kopf.
»Ihr habt recht«, gab der Elf zu. »Das können sie nicht. Nicht ohne Hilfe von Magie! Doch ich versichere Euch, dass ich nicht mehr magische Fähigkeiten besitze, als jeder andere Elf von Geburt an. Die Magie, die es mir erlaubt, meine Gestalt zu wandeln, ruht einzig und alleine in diesem Amulett.« Er hob vorsichtig einen Dolch, bis dessen Spitze auf den Anhänger wies, der an einer goldenen Kette auf seiner Brust lag. »Das ist auch der Grund, warum es dem Oger gelungen war, mich in einen Vogelkäfig zu sperren. Er hatte einen Weg gefunden, mir mittels Magie in der Gestalt des Phönixes das Amulett zu entreißen, woraufhin es mir unmöglich war, mich zurückzuverwandeln und gegen ihn zu kämpfen. Dolche sind wirkungsvoller als Schnabel und Klauen.«
Er schielte auf die schartige Schwertklinge, die immer noch seine Halsschlagader bedrohte und überlegte kurz, ob es die Schärfe der Schneide war, die sehr zu wünschen übrig ließ, die ihm das Leben nehmen sollte, oder doch
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