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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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fühlte ein paar Kaffeetropfen auf meiner Hand. Offensichtlich war ich von dem Geräusch zusammengezuckt und hatte gespritzt.
    Ich holte tief Luft und betrat den Raum. Ließ den Schlüsselbund in die Jackentasche gleiten. Schloss die Tür hinter mir. Hob den Blick.
    Das Zimmer ist lang gestreckt, das kann möglicherweise für Sie von Interesse sein. Lang gestreckt, mit hoher Decke, die Wände von Bücherregalen verdeckt. Die wiederum mit Sekundärliteratur und Klassensätzen gefüllt sind. Direkt vorm Fenster, das die ganze Stirnseite einnimmt, gibt es drei Arbeitsplätze. Meinen eigenen, die der Kollegen Friijs und Kasparsen.
    Friijs, Marr und Kasparsen.
    Er saß in der Mitte. Oder besser gesagt:
     
    In der Mitte saß Studienrat Marr. Auf seinem üblichen Platz. Den Rücken demjenigen zugewandt, der gerade ins Zimmer gekommen war. Leicht über den Tisch gebeugt.
    So wie es aussah, war er dabei, Aufsätze zu korrigieren.
    Links von mir stand ein Kaffeebecher, eine Kopie dessen, den der Besucher in der Hand hielt.
    Der Besucher erlaubte es sich, diese Details zu notieren, er war diesmal nicht in Eile ... die Kleidung stimmte vollkommen überein: braune Kordjacke, hellere Hose. Bermucchi-Schuhe, die ich im letzten Sommer auf Sizilien gekauft hatte.
    Ein paar stille Sekunden lang blieb der Besucher dort stehen, während Jakob Daniel Marr weiter an seinem Schreibtisch arbeitete, dann kehrte er ihm den Rücken, verließ das Zimmer und hastete die Treppen hinunter.
    Immer noch kein Mensch zu sehen. Ich warf den Becher, mit Kaffee und allem, in einen Papierkorb, warf mir Mantel und Schal über den Arm und lief weiter auf die Straße hinaus.
    Eilte unter die kahlen Linden an der Sporthalle und dem Parkplatz. Fummelte eine Weile mit den Schlüsseln herum, bis es mir gelang, die Autotür zu öffnen. Ich sprang hinein und fuhr los, mit einem Gefühl großer Aufgewühltheit.
    Ungefähr so war es, ja.

    8

    Hotel Belvedere

    Diesmal änderte ich die Fahrtrichtung. Fuhr nach Süden. Bog in Höhe von Kerran von der Autobahn ab und nahm die kleineren Straßen über die Heide. Ich mochte die Heidelandschaft schon immer.
    Diese Aufgewühltheit, die ich beim Verlassen der Schule gespürt hatte, legte sich bald, dagegen stellte sich diese leichte Euphorie, diese Befriedigung darüber, der Arbeit entkommen zu sein, die ich letztes Mal verspürt hatte, nicht wieder ein. Obwohl ich wirklich versuchte, sie herbeizurufen.
    Stattdessen lagen Verwirrung und Angst auf der Lauer, das Gefühl, ich wäre dabei, die Kontrolle über etwas zu verlieren, dass ich nicht mehr steuern könnte, was da mit mir geschah, und dass eigentlich alles eintreffen könnte. Nichts schien länger unmöglich zu sein. Ich weiß nicht, ob Ihnen so ein Gefühl vertraut ist. Ich hoffe, dass zumindest einige von Ihnen sich in meine Situation versetzen können: Vielleicht gibt es auch jemanden, der meinen Widerwillen versteht, meine Erlebnisse jemand anderem mitzuteilen.
    Meine Frau anzurufen und ihr alles zu erzählen zum Beispiel. . . und Rat und Unterstützung zu bekommen oder was man sich immer so denken könnte.
    Vielleicht verstehen Sie mich, wie gesagt, vielleicht ja auch nicht.
    Meine erste Krankheitsphase – ich erwähne das in einer Art Zwang, Rechenschaft abzulegen – trat vor ungefähr fünf Jahren ein, im Zusammenhang mit Mimas Wunsch, sich scheiden zu lassen. Eigentlich wäre es viel logischer gewesen, wenn sie diejenige gewesen wäre, um die man sich kümmerte, und nicht ich. Eine Scheidung in der Situation, in der wir uns damals befanden, hätte nur in einer Katastrophe enden können. In erster Linie für meine Ehefrau. Mehrere Monate lang versuchte ich sie dazu zu bringen, das doch einzusehen, und es waren diese Monate, das geballte Gewicht aller nächtlichen Konferenzen und Gespräche, was mich schließlich zusammenbrechen ließ.
    Nichts Schlechtes, was nicht auch etwas Gutes in sich birgt. Das Thema Scheidung verschwand von der Tagesordnung, und nach meiner »Ruhephase«, wie ich sie manchmal nannte, von drei Monaten konnten wir zu der üblichen Routine zurückkehren. Ich erlitt zwar im darauf folgenden Jahr noch einen leichten Rückfall – verbunden damit, dass unsere Tochter Veje ganz plötzlich nach Moeser zu einem dunkelhäutigen Jüngling ziehen wollte, der fast ihr Leben ruiniert hätte –, aber da kann man eher von einer Art Nachbeben sprechen. Die Ringe auf dem Wasser sozusagen. Veje kam bereits nach ein paar Wochen zurück, und auch

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