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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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einmal geliebt.
    Maria Diotima heißt sie. Hört auf Mima. Sie ist zwei Jahre jünger als ich und arbeitet als Direktorin im Museum für Moderne Kunst hier in unserer Stadt. Das macht sie seit zwölf Jahren, wenn ich in der Eile richtig gerechnet habe. Wir haben getrennte Schlaf- und Arbeitszimmer, und unser Liebesleben hat schon seit langer Zeit aufgehört zu existieren.
    Unser gemeinsames Liebesleben, will ich damit sagen. Wie ich schon nebenbei erwähnte, habe ich eine Geliebte: Nancy, 32 Jahre alt, mit der ich jetzt aber Ihre Zeit nicht vergeuden will. Mima hat auch einen anderen, den Dritten nacheinander in genau so vielen Jahren, wenn ich richtig unterrichtet bin. Wir halten einander, so gut es geht, aus diesen Privatsachen heraus; mit der Zeit wird die Liebe ja zu einer Pflanze, die am besten in Einzelzimmern gedeiht. Die kaum mehr als ziemlich sporadische Pflege fordert oder erträgt.
    Sie sind doch meiner Meinung? Ich merke, dass ich wieder ins Präsens verfallen bin. Als ob alles so weitergehen würde. Seinen geordneten Gang ... das sich immer wiederholende, runde Leben in einer kreisförmigen Zeitauffassung.
    Nichts könnte falscher sein.
     
    Auf dem Küchentisch fand ich einen Zettel von Mima.
    Sie war in die Hauptstadt gefahren, um eine Delegation des Künstlerverbands zu treffen, stand dort. Wollte bei ihrer Freundin Liz übernachten.
    Liz? Vielleicht war das ein Euphemismus für etwas ganz anderes. Was weiß ich? Auf jeden Fall hatte ich den Abend und das Haus für mich. Ich streckte mich auf dem Bett aus mit der Zeitung, die ich gekauft hatte, als ich tanken musste. Las die Artikel, blätterte zu den Auslandsnachrichten und schlief ein.
     
    Ich wachte im Dunkeln auf.
    Blieb ruhig auf dem Rücken liegen und versuchte mir die Träume wieder ins Gedächtnis zu rufen. Da war etwas an ihnen gewesen, das spürte ich deutlich, aber sie hielten sich fern. Blieben unter der nüchternen Haut des Wachseins verborgen. Dennoch blieb ich eine ganze Weile liegen und versuchte mein Bewusstsein offen zu halten. Empfänglich für alles, was da kommen konnte, aber der Augenblick verschloss sich, und nichts geschah.
    Nichts traf ein, und keine Gedanken kamen.
    Ich stand auf und machte mir eine einfache Mahlzeit. Aß, wusch ab und schaute mir die Fernsehnachrichten an.
    Anschließend rief ich drei verschiedene Freunde an, aber wie sich zeigte, war keiner anwesend.
    Wie groß ist eigentlich die Wahrscheinlichkeit für so etwas?
    Eine halbe Stunde lang spielte ich mit meinem Computer Schach. Verlor zwei Partien und gewann eine.
    Schließlich rief ich meine Mutter an. Nach acht Freizeichen fiel mir ein, dass ja heute ihr Bridgeabend war. Ich legte den Hörer wieder auf.
    Ich schrieb meinen Namen ein paar Mal auf ein Stück weißes Papier.
    Ich heiße Jakob Daniel Marr.
    Jakob Daniel Marr. Jakob Daniel Marr.
    Zwischen zehn und halb zwölf guckte ich mir einen französischen Film aus den Sechzigern im Fernsehen an. Dann duschte ich und ging kurz nach zwölf ins Bett.
    Ich konnte nicht einschlafen. Vielleicht war mein Mittagsschlaf zu lang gewesen ... vielleicht hatten die vielfältigen Ereignisse des Tages Mühe, zur Ruhe zu kommen. Obwohl ich mich wirklich anstrengte, die Gedanken von den Ereignissen am Morgen fern zu halten, türmte sich alles vor mir auf.
    Alles?
    Ich sah mich in der Tür stehen. Ich stand da und starrte auf mich selbst am Lehrerpult. Das Licht fiel durch die lange Fensterreihe herein, kam außerdem noch von den Deckenlampen. . . deutlicher konnte es nicht sein.
    Warum drehte ich nicht den Kopf und erwiderte den Blick? Hätte ich nicht bemerken müssen, dass die Tür aufging, auch wenn die Schüler es nicht taten?
    Bevor ich endlich einschlief, fiel mir auf, dass ich den ganzen Tag mit keinem Menschen gesprochen hatte, abgesehen von dem Mann und der Frau im Café Freiheit.

    6

    Klimkes Paradox und schwarze Trikots

    Am Freitag hatte ich erst nach der Mittagspause Unterricht in einer Klasse, die ich auch am Tag zuvor gehabt hatte. Bis dahin war alles wie üblich verlaufen, auch wenn ich natürlich eine gewisse Anspannung und Wachsamkeit verspürte ... als würde ich die ganze Zeit über dünnes Eis gehen, ich erinnere mich, dass ich so dachte. Als könnte etwas jeden Augenblick brechen und als ginge es darum, die ersten Zeichen dafür auf keinen Fall zu übersehen. Ich hatte mich geflissentlich von jeder Form von Nachforschung zurückgehalten, aber je länger der Tag wurde, umso klarer war geworden,

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