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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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Straßenkleidung, die die meisten mit ins Klassenzimmer nahmen und die jetzt zum Trocknen an Haken und über den Stuhlrücken hing.
    In dieser Dunkelheit, bei dem vertrauten Brummen des Filmprojektors, in dieser heimeligen Gebärmutter, lehnte ich mich an die Wand zurück, schloss die Augen und spürte, wie mich eine warme, freundliche Menschlichkeit umschloss.
    Genau das. Eine Menschlichkeit.
    Nach fünf Minuten schlief ich tief.
     
    Mima war nicht zu Hause, und es lag keine Nachricht von ihr auf dem Tisch. Ich wählte die Nummer des Museums und bekam sie fast sofort an den Hörer.
    »Dieser Polizist, der gestern angerufen hat, was wollte der eigentlich?«, fragte ich.
    »Wieso fragst du? Das war doch nur ein Missverständnis, er hat mich um Entschuldigung gebeten.«
    »Von wo aus hat er angerufen?«
    Es blieb still im Hörer.
    »Worüber machst du dir eigentlich Sorgen?«, fragte meine Ehefrau schließlich, und in ihrer Stimme fanden sich ein starkes Zögern und noch etwas anderes, das ich seit mehreren Jahren nicht mehr gehört hatte und das ich nicht so recht identifizieren konnte.
    Ein Ton, ein Hauch, der etwas mit unseren Kindern zu tun hatte, als sie noch klein waren, denke ich. Eine Art Zuversicht vielleicht, das Versprechen, Trost zu spenden ...
    Aber sicher war das reine Einbildung.
    »Ach, es ist nichts. Ich wollte es nur wissen.«
    »Jaha?«
    »Jedenfalls ist meine Migräne besser.«
    Wieder zögerte sie.
    »Du weißt noch, dass ich heute Abend nicht nach Hause komme?«, fragte sie dann.
    »Ja, natürlich«, log ich.
    Dann hatten wir uns nichts mehr zu sagen, und wir beendeten das Gespräch. Ich blieb noch eine Weile mit der Hand auf dem Telefon sitzen und spürte, wie ihre Stimme langsam im Bakelit abebbte.
    Anschließend suchte ich mein dickes Notizbuch heraus und fing an zu schreiben.

II

    In der Stadt Neubadenberg
arbeitete nach dem Krieg
ein Psychoanalytiker namens
Schenk.

    17

    Der 14. Januar

    Zögernd ergriff ich den Kugelschreiber. Meinen Wassermann /Frisch, der die ganze Zeit im Notizbuch gelegen hatte, seit ich das letzte Mal mein Schreiben abgebrochen hatte. Wo der andere geblieben war, davon hatte ich im Augenblick nicht die geringste Ahnung.
    Irgendwo gab es einen verborgenen Raum. Dinge nahmen einen anderen Weg, als man vielleicht erwartet hatte, möglicherweise haben Sie diesbezüglich eine abweichende Meinung, was natürlich Ihr gutes Recht ist – unsere Perspektive ist ja aus verständlichen Gründen ein wenig abweichend. Auf jeden Fall trat ein neues Element in den Angriff auf meine Existenz ... aber erst jetzt, in diesen Tagen, als mein Besucher nach einer mehr als einen Monat langen Pause wieder aufzutauchen beliebt, beschließe ich also, erneut mein Buch hervorzuholen und bestimmte Notizen zu machen.
    Mit offensichtlichem Zögern und ohne große Hoffnung hinsichtlich Klarheit und Kontinuität.
     
    Eine Verschiebung, schrieb ich. Eine neue Form eines Symptoms. Mal sehen, was Sie dazu sagen.
    Am 14. Dezember, eine gute Woche nach meiner Rückkehr aus Weigan, stieß mir Folgendes zu: Es war ein kalter, windiger Tag im Leisnerpark, spät am Nachmittag, die Dämmerung war dabei, sich zu senken, ziemlich schnell ging ich Richtung Osten ... auf Pampas zu, diese tief gelegene Gegend unterhalb des Stadtbergs, wo sich immer noch die gut erhaltene Bebauung aus dem 19. Jahrhundert befindet. Ich trug meine Aktentasche locker in der Hand, der Kragen war hochgeschlagen und der Mantelgürtel fest zugeknotet gegen den rauen Wind, der in die Wangen biss.
    Ich ging noch schneller, meine gesamte Erscheinung muss einen gewissen Eifer gezeigt haben, ich weiß, dass ich dachte, wie schön es wäre, ins Haus zu kommen, etwas Wärmendes zu sich zu nehmen, und im gleichen Moment wurde mir der Zustand der Dinge bewusst.
    Ich wurde mir meiner Unwissenheit bewusst.
    Noch einige schnelle Schritte machte ich, als wollte ich nichts überstürzen. Als wollte ich die Dunkelheit in irgendeiner Weise herausfordern. Dann blieb ich stehen, genau an der Ecke des Sportplatzes, der zwischen dem Park und Pampas liegt.
    Wohin führte mich mein Weg?
    Ich verzog den Mund. Ja, ich lachte sogar – mit anderen Worten, ich war also alles andere als unfähig, die absurde Komik der Situation zu erfassen. Ich zündete mir eine Zigarette an und begann langsam, äußerst langsam den Weg zurückzugehen, den ich gekommen war. Unter anderen Umständen, zu einer anderen Jahreszeit und Wetterlage, hätte ich mich sicher auf eine

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