Barins Dreieck
als jemand anderes als meine verschwundene Frau herausstellen sollte, dann ... ja, dann würde ich die ganze Sache damit abblasen. Dann sollte es damit genug sein, dessen war ich mir absolut sicher, als ich das Oldener Maas verließ. Dass es – was immer auch geschah – jetzt vorbei war, das war der letzte Tag, alles ging eigentlich schon viel zu lange vor sich ... Ich hätte das schon früher einsehen müssen, aber lieber spät als nie.
Eine Viertelstunde später hatte ich die Bergenerstraat erreicht. Es war eine lange, ziemlich enge Straße, die vom Bergener Plein abging und in nordöstlicher Richtung zum V-Park und zu den Sportanlagen führte. Ganz gewöhnliche Vier- und Fünfetagenhäuser in dunklem Ziegelstein auf beiden Seiten. Schwarzgestrichene Einfahrten und dicht nebeneinander sitzende Fenster. Ab und zu ein Laden. Cafés ungefähr an jeder dritten Kreuzung.
Ich blieb vor der Nummer 174 stehen. Schaute mich in beide Richtungen um, bevor ich näher trat und die Namensschilder las. Dritter Stock: E. Sobranska, M. Winck. Ich griff zur Tür. Geschlossen. Ich klingelte. Niemand antwortete, aber ich hörte ein Klicken im Türschloss. Ich trat ein und ging die schmale, steile Treppe hinauf.
Mein erstes Klopfen führte zu keiner Reaktion, und ich versuchte es noch einmal, etwas fester. Ich hörte, wie in der Wohnung ein Radio ausgeschaltet wurde und wie sich Schritte näherten. Ein Schlüssel wurde ein paar Mal im Schloss umgedreht, die Tür geöffnet, und ich stand Auge in Auge mit ...
Ich meine mich zu erinnern, dass es eine Sekunde dauerte, bis ich einsah, dass sie es tatsächlich war, aber ich bin mir nicht sicher. Sie war einfach gekleidet, schwarze Jeans und ein langes T-Shirt mit Batikdruck, und ihr Gesicht war so vertraut, dass ich mich dagegen wehren musste, ja, ich glaube, dass es dieses starke Identitätsgefühl war, das mich paradoxerweise zögern ließ.
Ich meine mich außerdem zu erinnern, dass wir eine Weile schweigend dastanden und uns nur ansahen, bevor wir anfingen zu sprechen, aber auch davon bin ich nicht mehr vollkommen überzeugt. Vielleicht ergriff sie sofort das Wort, auf jeden Fall war sie es, die das Schweigen brach, falls es denn zu brechen war.
»Ach, jetzt kommst du«, sagte sie.
Sie trat einen Schritt zurück, und ich betrat den kleinen Eingangsflur.
»Ja«, sagte ich. »Jetzt komme ich.«
Sie gab mir zu verstehen, dass ich doch weiter in die Wohnung kommen sollte. Sie ging vor und setzte sich in einen der drei Sessel, die um einen niedrigen Couchtisch aus Glas und Rohr standen. Ich zögerte erneut, aber dann nickte sie, und ich setzte mich ihr gegenüber.
»Also, jetzt kommst du«, wiederholte sie und verdrehte ein wenig die Augen, wobei mir einfiel, dass sie das ab und zu zu tun pflegte, wenn sie sich auf etwas Unklares oder Schwieriges zu konzentrieren versuchte. Ich gab keine Antwort.
»Möchtest du eine Tasse Tee?«, fragte sie nach einer Weile.
Ich nickte, und sie ging hinaus. Ich schloss die Augen und lehnte den Kopf gegen die hohe, weiche Rückenlehne. Hörte sie in der Küche mit Wasser, Kessel und Tassen klappern, während ich ganz still dasaß. Die Gedanken und Bewegungen in mir waren wortlos und abstrakt, fern jeder Grenze zum Begreifbaren. Aber schön, zweifellos wunderschön. Ich weiß, dass ich genau das dachte. Dann spürte ich die Anwesenheit von jemand anderem im Zimmer. Ich öffnete die Augen und sah Mauritz Winckler vor mir. Er hatte den Ellbogen auf eine hohe Kommode gestützt und betrachtete mich.
Ich erwiderte seinen Blick. Er trug immer noch die gleiche Brille und das gleiche kurz geschnittene, grau melierte Haar wie vor vier Jahren. Das kragenlose Hemd und die Kordhose konnten ebenfalls problemlos die gleichen sein, wie er sie die wenigen Male getragen hatte, als ich ihn getroffen hatte, aber ich will es nicht beschwören.
Keiner von uns sagte ein Wort, und nach ein paar Minuten kam Ewa mit einem Teetablett zurück. Sie blieb für einen Moment mitten im Raum stehen, sah uns einen nach dem anderen an, zuerst Mauritz Winckler, danach mich. Dann zwang sie sich zu einem Lächeln, schnell und vergänglich wie eine aufflatternde Schwalbe, und stellte das Tablett auf den Tisch.
»Was machst du in A.?«, fragte sie.
»Ich arbeite«, sagte ich.
»Was?«
»Eine Übersetzung.«
»Rein?«
»Ja.«
»Das habe ich mir fast gedacht.«
Mauritz Winckler hustete und setzte sich an den Tisch. Ewa goss aus einer großen Tonkanne Tee ein.
»Wohnt
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