Barins Dreieck
in einem Kabel von der Stadt herangeleitet. Terrassen und Weinranken am Abhang auf der Rückseite, und ein paar stattliche Zypressen, die er von dem Gelände auf der anderen Seite der Bucht hierher hatte bringen lassen und die allen Prophezeiungen zum Trotz hier Wurzeln geschlagen haben. Um die zwanzig eigene Olivenbäume, die, wie er behauptet, über fünfhundert Jahre alt sind. Den Berg hinauf führt ein gewundener Eselspfad zu einer Kapelle, die auch zu dem Besitz gehört, ein exzentrischer Franzose hat sie vor Jahren gebaut, mehr als fünfzig Jahre hat er hier zusammen mit einer Horde Katzen und einem Cembalo gelebt, ist dann aber im Herbst seines Lebens zurück nach Rouen gezogen und dort nach zwei Monaten gestorben. Die Katzen sind verschwunden, aber das Cembalo ist noch da.
Überhaupt lässt er kaum ein Detail in seinem Bericht aus, vielleicht ist alles zusammen reine Phantasie, auf jeden Fall ist mir klar, dass es ihm eine diebische Freude bereitet, endlich einmal wieder Zuhörer zu haben. Und wenn es nur einer ist. Und wenn nur ich es bin. Es ist offensichtlich, dass er keinen Umgang mit Menschen hat. Nimmt nur jede zweite oder dritte Woche das Boot um die Landzunge herum zum Ort, um sich mit Proviant zu versorgen, aber ansonsten lebt er in sublimer Abgeschiedenheit ... in einer Isolation, die ihn sehr viel redseliger hat werden lassen, als ich ihn in Erinnerung habe. Sicher eine akute, vorübergehende Geschwätzigkeit, und der Zug von Egozentrik und Eigenliebe ist kaum kleiner geworden. Vielleicht ein wenig konserviert und veredelt. Seine Hauptbeschäftigung in der Einsamkeit scheint es zu sein, Steine zu schleppen: entweder die Terrassen auszubessern oder die hohe, meterdicke Mauer weiterzubauen, die im Augenblick das Haus von zweieinhalb Seiten umgibt.
»Sie müssen mir doch zustimmen«, fährt er fort, »dass es unverzeihlich wäre, so eine Geschichte auf diese Art und Weise zu vergeuden? Eine Geschichte, die mit einem Niesen im Radio beginnt ...«
»Einem Husten.«
»Na, dann einem Husten, ist ja das Gleiche. Sie wollen sie also wie verschüttete Milch im Sand verrinnen lassen. Wie Eselspisse! Einfach liegen lassen und ...«
». . . mich wie ein getretener Hund davonmachen, ja genau.«
Ich warte, während er sich eine Zigarette in dem affektiert langen Mundstück anzündet.
»Sie kennen meine kleinen Überlegungen hinsichtlich des Lebensmanuskripts?«
»Natürlich. Wobei es übrigens wohl kaum die Ihren sind. Sie wollen also behaupten, dass Ihre Geschichte umso viel besser ist?«
Er schnaubt.
»Der Vergleich ist schon eine Beleidigung.«
Er sieht mich nicht einmal an. Raucht und hat dabei den Blick aufs Meer gerichtet. Wahrscheinlich langweile ich ihn allmählich.
»War diese ganze verzwickte Intrige eigentlich nötig?«, frage ich nach einigen Sekunden des Schweigens.
»Natürlich«, erklärt er mit sichtlicher Irritation. »Was zum Teufel glauben Sie denn? Der Verdacht musste schließlich langsam keimen ... Sie glauben doch wohl nicht, dass es funktioniert hätte, wenn sie mit einem Mal im Rampenlicht gestanden hätten. Machen Sie sich doch nichts vor, Sie wissen ebenso gut wie ich, dass es so arrangiert werden musste ... schließlich haben Sie ja das Resultat!«
»Haben Sie auch mit ihrem Tod gerechnet?«
Er zuckt mit den Schultern.
»Das hat nichts mit der Sache zu tun. Was wollen Sie überhaupt damit sagen? Ihre eigene Ehefrau lebt schließlich glücklich und zufrieden mit Ihrem Rivalen zusammen! Sie sind doch wohl nicht hergekommen, um zu behaupten, Sie hätten alles so gemacht, wie Sie es sich gedacht haben?«
Er erlaubt sich ein Lachen.
»Verfluchter Dilettant! Ihnen ist es ja nicht einmal gelungen herauszufinden, was wirklich passiert ist!«
Ich betrachte ihn von der Seite, während er an dem geharzten Wein schnuppert ... das schwere Profil mit dem buschigen Haar, das unter der Sonne gebleicht ist. Einundsechzig Jahre alt, habe ich ausgerechnet, braun gebrannt, vital und rüstig, seine Gebrechlichkeit der letzten Jahre scheint er ganz und gar abgeschüttelt zu haben – wenn nichts Unvorhergesehenes eintrifft, dann spricht alles dafür, dass er in diesem versteckten Paradies noch ein Vierteljahrhundert leben kann. Mit seinen Steinen, seinen Oliven und seinen bereinigten Erinnerungen.
Wenn nicht etwas Unvorhergesehenes eintrifft, wie gesagt.
»Nein, ich weiß nicht, was in Graues passiert ist.«
Ich habe ihm meine Geschichte in groben Zügen erzählt, bin mir nicht
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