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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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anzufangen.
    Jeder unserer Klienten hat seine Geschichte, das ist ja der Grund, warum sie kommen und sich auf unser Sofa legen. Um ihre Geschichte erzählen zu dürfen. Es kann lange dauern, sie zu gebären, und wie es abläuft, das lässt sich nicht immer vorhersagen. . . aber heraus muss sie, das ist ja gerade der Sinn des Ganzen.
    Ich merkte, dass ich bereits zu viel gesagt hatte. Trotzdem wiederholte ich:
    »Was sind die Hintergründe, Frau Enn?«
    Es dauerte eine Weile, dann sagte sie:
    »Ich brauche Ihre Hilfe, Doktor Borgmann. Aber in diesen Räumen sind Sie mir nicht von großem Nutzen.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Ich möchte, dass Sie mit mir kommen. Ich muss Ihnen zeigen, worum es geht.«
    Ich zögerte.
    »Sie brauchen sich keine Sorgen um Ihr Honorar zu machen. Ich habe mehr Geld, als ich jemals ausgeben könnte.«
    Ich gab nach.
    »Was sollte ich Ihrer Meinung nach tun?«
    »Zu meinem Haus kommen. Morgen, wenn es geht, oder wann Sie Zeit haben ... das dürfen Sie selbst entscheiden.«
    Ich band mir die Armbanduhr um und stand auf.
    »In Ordnung, Frau Enn. Wenn Sie mir Ihre Adresse geben, schaue ich morgen bei Ihnen vorbei. Passt es gegen elf Uhr?«
    Sie zog eine Karte aus der Handtasche und reichte sie mir.
    »Elf Uhr ist ausgezeichnet. Vielen Dank, Doktor Borgmann.«
    Ich begleitete sie hinaus. Warf einen Blick auf die Karte, bevor ich mich hinter die Gardine stellte.
    Gisela Enn. Villa Guarda. K-berg
     
    Sie überquerte die Straße. Ging zu einem Auto, das auf der anderen Seite stand. Diesmal war es rot.
    Zweifellos würde sie es sich leisten können, mein Honorar zu bezahlen.
     
    A bends rief Kristine an. Es waren sechs Tage vergangen, seit sie mich verlassen hatte, also war es wirklich an der Zeit.
    Das sagte ich ihr auch, und ich hörte, dass es ihr ein wenig peinlich war. Für einen kurzen Moment hatte ich eine Art Oberwasser, aber wie üblich war ich nicht in der Lage, das auszunutzen.
    Es glitt mir durch die Finger.
    Ich fragte sie natürlich, wo sie denn sei, und sie erzählte, dass sie an diesem weit entfernten Ort war, von dem ich auch angenommen hatte, dass sie sich dort aufhalten würde.
    Schnell wurde mir klar, dass die Situation hoffnungslos war, und nach nicht einmal fünf Minuten brachen wir das Gespräch ab. Den größten Teil dieser kurzen Zeit hatten wir sowieso nur schweigend dagesessen. Dem unerhörten Abstand gelauscht, der sich zwischen uns auftat.
    Es war sinnlos.
     
    Ich ging hinaus, spazierte im Nieselregen herum. Stellte fest, dass ich am liebsten eine Fahrkarte irgendwohin kaufen würde  – nicht zu Kristines Aufenthaltsort natürlich, sondern irgendwoanders hin. Weit, weit weg, so abgelegen wie nur möglich.
    Tage und Nächte in einem Zug sitzen und schließlich an einem Bahnhof aussteigen in einer Stadt, in der ich noch nie gewesen war und in der niemand wusste, wer ich bin.
    Sich dann mit der kleinen Reisetasche in der Dämmerung ein Zimmer in einem Hotel nehmen. Das Fenster zum Markt und zu den Stimmen aus dem Café hin öffnen.
    Am folgenden Morgen als ein anderer Mensch aufwachen. Neu und lebenstüchtig und ohne Vergangenheit.
    Ein Traum, auch er vollkommen sinnlos.
    Ich war ziemlich durchnässt, als ich mich an meinen Stammtisch im Café setzte. Florian sah aus, als wollte er zumindest meine Füße und mein Haar trocknen, vermutlich dachte er in erster Linie an die Einrichtung.
    »Ist die Frau zurückgekommen?«
    »Nein.«
    Ich bestellte einen Punsch. Ich brauchte etwas, um mich aufzuwärmen. Er zögerte einen Augenblick, als wollte er etwas Anteilnehmendes sagen.
    Da er nicht die richtigen Worte fand, sog er die Wangen ein und verließ mich auf seine übliche Art.
     
    Nicht weniger als vier Punsche schaffte ich, was in erster Linie daran lag, dass Ryszard kam und mir Gesellschaft leistete. Wir spielten eine Partie Schach, und er erzählte mir, dass er plane, bei der Polizei aufzuhören. Während des letzten Halbjahrs hatte er nicht einen einzigen Fall, für den er verantwortlich war, aufgeklärt. Dagegen war er sechsmal bedroht worden, dass ihn jemand umbringen wollte.
    Ich fragte ihn, was er dann anzustellen gedachte, aber er schüttelte nur seinen großen Kopf. Es schien, als hätte er noch nicht weiter über seine Zukunft nachgedacht.
    »Vielleicht schreibe ich ein Buch«, sagte er nach einer Weile. »Das Einzige, was meine Chefs an mir schätzten, das waren meine Rapporte.«
    Gegen Ende des vierten Punsches war ich kurz davor, von Gisela zu erzählen. Ich

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