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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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sein, aber das ist schon lange her.
    Die Verkehrsdichte war dünn wie in der Nacht. Ich fuhr quer durchs Zentrum. Dann die wenigen Kilometer weiter bis zum Meer, stellte den Wagen bei einer der Molen ab und wanderte den Strand entlang. Alles war verlassen. Das Meer roch nach dem Meer vom letzten Jahr, die Sommercafés und Vergnügungsparks waren mit undurchsichtiger Plastikfolie überzogen, die Strandkörbe waren zu Hunderten und Aberhunderten gestapelt. Hotels und Restaurants schienen hermetisch abgeriegelt zu sein.
    Obwohl doch die Sommersaison nur wenige Wochen entfernt sein konnte?
    Mir begegneten ein paar Jogger und einige Hunde mit ihren Besitzern. Ansonsten spazierte ich ganz ungestört. Nur wenige Dinge schenken mir größere Zufriedenheit, als in dieser Art allein am Meer entlangzugehen ... zu spüren, wie sich die Feuchtigkeit und das Salz langsam in Kleidung und Haut drängen ... und natürlich genoss ich auch diesen Spaziergang, aber ich kehrte bedeutend früher um, als ich es unter anderen Umständen getan hätte, da bin ich mir ganz sicher.
    Ich nahm ein frühes Mittagessen im Bahnhofsrestaurant ein, und während ich dort saß, hatte ich gute Sicht auf die Rückseite des Bahnhofs. Von meinem Fenstertisch aus konnte ich mindestens fünfzig Meter in jede Richtung sehen ... eine breite, aber nicht besonders stark befahrene Straße mit einer langen Reihe verrußter Mietskasernen auf der anderen Seite. Vier oder fünf Stockwerke hohe Häuser. Kaum Geschäfte. Ein Milch- und Brotladen. Eine Gemüsehalle eine halbe Treppe unterhalb der Straße. Auf dem schmalen Fußweg bewegte sich so gut wie kein Mensch. Überhaupt waren nicht viele Leute unterwegs ... aber es war ja auch die tote Zeit. Samstagnachmittag, der in den Samstagabend übergeht.
    Im Restaurant war es genauso. Eine Gruppe schäbiger Männer trank ihr Bier an einem etwas abgelegenen Tisch. Eine ältere Frau saß über ein Pastagericht und eine Zeitung gebeugt und verströmte schon von weitem Einsamkeit.
    Ich aß langsam, während ich die sechs Haustüren beobachtete, die in meinem Blickfeld lagen. Nur bei zweien passierte etwas während der Stunde, die ich dort verbrachte. Eine Frau und ein Mann traten aus einer Tür direkt neben dem Milch-und Brotladen, der offenbar am Wochenende geschlossen war. Ein Junge, vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahre alt, kam mit dem Fahrrad und eilte in die Tür, die meinem Aussichtspunkt genau gegenüber lag.
    Ansonsten geschah nichts.
     
    Was hatte ich hier zu tun?
    Nach dem Essen spürte ich plötzlich, wie sinnlos das alles war.
    Vielleicht war es auch die Dämmerung, die mich die Geduld verlieren ließ. Sie kam früh, im Schutz von Regen und Smog.
    In einem dieser Häuser war es passiert.
    Blick auf die Bahngleise ... es stimmte.
    Hinter einem dieser unzähligen Fenster gab es ein kleines Zimmer, in dem vor sechs Jahren eine große Matratze auf dem Boden gelegen hatte.
    In dem es nach Verwesung gestunken hatte und in dem es eine Speisekammer gab, die groß genug war, um eine Elfjährige aufzunehmen.
    Hinter einer dieser Türen in einem dieser Treppenaufgänge musste sich eine Tür befinden ...
    Was hatte sie gesagt? Wie viele Schlösser?
    Fünf?
    Wie üblich war es, so viele Schlösser an einer Tür zu haben? Ich überlegte. Ich selbst hatte zwei. Benutzte aber nie mehr als eins, Kristine auch nicht. Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals eine Tür mit fünf Schlössern gesehen zu haben.
    Aber vielleicht handelte es sich dabei ja auch um Riegel, Ketten und ähnliches, an der Innenseite festmontiert?
    Andererseits: Wenn man nun wirklich jemanden einschließen will, dann wäre es natürlich praktischer, es von außen machen zu können. Ich winkte der Kellnerin und bat sie um die Rechnung.
     
    Im siebten Aufgang klappte es.
    Zumindest versuchte ich es mir einzureden. Die Haustüren waren alle verschlossen gewesen. Um Haaresbreite wäre ich ins Auto gesprungen und unverrichteter Dinge wieder nach Hause gefahren, aber dann fiel mir ein, dass es natürlich auch zum Hof hin einen Zugang geben musste. Ich ging um eine der Mietskasernen herum, kam in einen langen, engen, asphaltierten Hof, der an der ganzen Wohnblockkette entlang lief. Fahrradständer mit Wellblechdach. Nackte, widerborstige Büsche. Wäscheleinen und ängstliche Katzen. Es gab zwölf Türen, zwei für jedes Haus, wie ich mir ausrechnete ... keine von ihnen schien verschlossen zu sein, einige standen sogar weit offen, vermutlich, damit der

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