Barrayar
Tisch, ganz beherrscht.
»Ich bitte dich jetzt.«
»Jetzt«, sagte er nach langem Zögern, »ist ein äußerst delikater Zeitpunkt, in der gesamten strategischen Lage. Wir befinden uns gerade in geheimen Verhandlungen mit zwei von Vordarians Spitzenkommandanten, ihn zu verlassen. Die Streitkräfte im Weltraum sind nahe daran, sich auf uns festzulegen. Wir sind nahe daran, es zu schaffen, Vordarian ohne eine größere Schlacht auszuschalten.«
Cordelia wurde in ihren Gedanken gerade lang genug abgelenkt, um sich zu fragen, wie viele von Vorkosigans Kommandanten gerade jetzt heimlich verhandelten, um sie zu verraten.
Die Zeit würde es zeigen. Die Zeit.
Vorkosigan fuhr fort: »Falls – falls wir diese Verhandlungen so abschließen, wie ich wünsche, dann werden wir in der Lage sein, die meisten Geiseln mit einem einzigen größeren Stoßtruppunternehmen zu befreien, aus einer Richtung, woher Vordarian es nicht erwartet.«
»Ich bitte nicht um ein großes Unternehmen.«
»Nein. Aber ich sage dir, dass ein kleines Unternehmen, vor allem wenn es scheitert, ernsthaft den Erfolg des größeren späteren beeinträchtigen könnte.«
»Könnte.«
»Könnte.« Er neigte den Kopf zur Seite, als Eingeständnis der Ungewissheit.
»Der Zeitpunkt?«
»In etwa zehn Tagen.«
»Nicht gut genug.«
»Nein. Ich werde versuchen, die Dinge zu beschleunigen. Aber du verstehst – wenn ich diese Chance verpfusche, diesen Zeitplan, dann könnten einige tausend Männer für meine Fehler mit ihrem Leben zahlen.«
Sie verstand ganz klar. »In Ordnung. Stell dir vor, wir lassen die Armeen von Barrayar für den Augenblick aus der Sache draußen. Lass mich gehen. Mit vielleicht einem Livrierten oder deren zwei und mit genauer, hundertprozentiger Geheimhaltung. Ein völlig privates Unternehmen.«
Seine Hände schlugen auf den Tisch, und er sprudelte hervor: »Nein! Gott, Cordelia!«
»Zweifelst du an meinen Fähigkeiten?«, fragte sie drohend. Ich sicherlich. Jetzt war jedoch nicht der Augenblick, dies zuzugeben. »Ist dieses ›lieber Captain‹ nur ein Kosename für ein Schätzchen, oder hast du das wirklich ernst gemeint?«
»Ich habe gesehen, wie du außergewöhnliche Dinge getan hast …«
Hast du mich also auch auf die Schnauze fallen sehen?
»… aber du bist unentbehrlich. Gott! Das würde mich wirklich endgültig um den Verstand bringen. Zu warten, nicht zu wissen …«
»Das verlangst du von mir. Zu warten, nicht zu wissen. Du verlangst das jeden Tag.«
»Du bist stärker als ich. Du bist über die Maßen stark.«
»Das ist schmeichelhaft, aber nicht überzeugend.«
Seine Gedanken umkreisten die ihren, sie konnte es in seinen messerscharfen Augen sehen. »Nein. Du darfst nicht auf eigene Faust losschlagen. Ich verbiete es, Cordelia. Kategorisch, absolut. Schlag dir das sofort aus dem Kopf. Ich kann nicht euch beide riskieren.«
»Du tust es. Hiermit.«
Er biss die Zähne zusammen und senkte seinen Kopf. Die Botschaft war angekommen und verstanden worden. Koudelka, der besorgt neben ihm saß, blickte betroffen zwischen ihnen beiden hin und her. Cordelia spürte den Druck von Drous vor Anspannung weißer Hand an der Lehne ihres Stuhls.
Vorkosigan sah aus, als würde er zwischen zwei großen Steinen zerrieben, sie hatte kein Verlangen zu sehen, wie er zu Pulver zermahlen wurde. Im nächsten Augenblick würde er ihr Wort dafür fordern, dass sie in der Basis bliebe und kein Risiko einginge.
Sie öffnete ihre Hand, die jetzt gekrümmt auf der Tischfläche lag. »Ich würde anders entscheiden. Aber niemand hat mich zur Regentin von Barrayar ernannt.«
Mit einem Seufzer verließ ihn die Spannung. »Ungenügende Vorstellungskraft.«
Ein allgemeiner Mangel unter den Barrayaranern, mein Liebster.
Als sie zu Arals Quartier zurückkam, traf Cordelia im Korridor Graf Piotr, der sich gerade von ihrer Tür abwandte. Er hatte sich sehr verändert in Vergleich zu dem erschöpften, wilden Mann, der sie auf einem Bergpfad zurückgelassen hatte. Jetzt trug er die Art unauffälliger Oberschichtkleider, die von Vor-Lords im Ruhestand und älteren kaiserlichen Ministern bevorzugt wurden: ordentliche Hosen, blitzblanke Halbstiefel, eine sorgfältig geschnittene, uniformähnliche Jacke. Hinter ihm ragte Bothari empor, wieder in seiner formellen braun-silbernen Livree. Bothari trug einen dicken Mantel zusammengefaltet über dem Arm, woraus Cordelia schloss, dass Piotr gerade von seiner diplomatischen Mission zu einigen Mitgrafen im
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