Barrayar
Schlafzimmer? In ihrem Bad?
Aral grinste, aber er antwortete: »Sie dürften es nicht annehmen. Sie essen oder trinken nur das, was sie selber mitbringen.«
»Du lieber Himmel, wie paranoid. Ist das wirklich nötig?«
»Manchmal. Ihr Geschäft ist gefährlich. Ich beneide Sie nicht.«
»Ich denke, da draußen herumzusitzen und dich zu beobachten dürfte einen netten kleinen Urlaub ausmachen. Der wird doch eine tolle Sonnenbräune heimbringen.«
»Das Herumsitzen ist der härteste Teil. Sie sitzen vielleicht ein ganzes Jahr, und dann werden sie auf einmal zu fünf Minuten totaler Aktion von tödlicher Wichtigkeit gerufen. Aber sie müssen das ganze Jahr über jeden Augenblick für diese fünf Minuten bereit sein. Das ist sehr anstrengend. Ich ziehe den Angriff der Verteidigung vor.«
»Ich verstehe immer noch nicht, warum irgend jemand dich belästigen sollte. Ich will sagen, du bist doch nur ein Offizier außer Dienst, der zurückgezogen lebt. Es muss doch Hunderte wie dich geben, selbst von edlem Vor-Geblüt.«
»Hm.« Er blickte lange nach dem fernen Boot und vermied eine Antwort, dann sprang er auf die Füße. »Komm, überraschen wir Vater mit der guten Nachricht.«
Ja, jetzt verstand sie es. Graf Piotr zog ihre Hand auf seinen Arm und entführte sie in das Esszimmer, wo er ein spätes Abendessen einnahm, nach den neuesten Schwangerschaftsberichten fragte und ihr frische Gartenköstlichkeiten aufnötigte, die er vom Lande mitgebracht hatte. Sie aß gehorsam Weintrauben.
Als sie nach dem Abendessen Arm in Arm mit dem Grafen in das Foyer schritt, drangen an ihr Ohr die Laute erhobener Stimmen aus der Bibliothek. Die Worte waren nicht zu verstehen, aber sie klangen scharf und wie Hiebe. Beunruhigt blieb Cordelia stehen.
Einen Moment später endete der – Streit? Die Tür der Bibliothek sprang auf, und ein Mann stolzierte heraus. Cordelia konnte durch die Türöffnung Aral und Graf Vortala sehen. Arals Gesicht war starr, doch seine Augen brannten. Vortala, ein vom Alter gebeugter Mann, das fast kahle Haupt mit Leberflecken übersät und von einem weißem Haarkranz umrahmt, war knallrot bis über seinen nackten Schädel. Der Mann, der die Bibliothek verlassen hatte, rief mit einer schroffen Geste seinen wartenden livrierten Diener herbei, der ihm schneidig folgte, mit ausdruckslosem Gesicht.
Der schroffe Mann war etwa vierzig Jahre alt, vermutete Cordelia, er war teuer im Stil der oberen Klassen gekleidet und hatte dunkles Haar. Eine markante Stirn und vorstehende Backenknochen, gegen die seine Nase und sein Schnurrbart nicht ankamen, ließen sein Gesicht wie einen Teller erscheinen. Er war weder gutaussehend noch hässlich, und in einer anderen Stimmung hätte man ihn als einen Mann mit entschlossenen Zügen bezeichnen können. Jetzt sah er nur mürrisch aus. Als er im Foyer auf Graf Piotr traf, hielt er an und brachte – gerade noch – ein höflich grüßendes Nicken zustande. »Vorkosigan«, sagte er dumpf. Ein widerwilliges ›Guten Abend‹ war in seiner ruckartigen Andeutung einer Verbeugung verschlüsselt.
Der alte Graf antwortete mit einem Kopfnicken und hob die Augenbrauen.
»Vordarian«, sein Ton machte aus dem Namen eine Frage.
Vordarian presste seine Lippen aufeinander, seine Fäuste ballten sich unbewusst im Rhythmus seiner mahlenden Kiefer. »Merken Sie sich meine Worte«, stieß er hervor, »Sie und ich und jeder andere Mann von Würde auf Barrayar wird den morgigen Tag noch sehr bereuen.«
Piotr schürzte seine Lippen, in den von Krähenfüßen umgebenen Winkeln seiner Augen zeichnete sich Vorsicht ab. »Mein Sohn wird seine Klasse nicht verraten, Vordarian.«
»Sie blenden sich selbst.« Sein Blick ging durch Cordelia hindurch und verweilte nicht lang genug, um als Beleidigung gedeutet zu werden, aber als kühle, sehr kühle, zurückweisende Vorstellung. Mit Mühe brachte er ein Minimum an Höflichkeit auf und nickte zum Abschied, drehte sich um und ging durch die Vordertür nach draußen, gefolgt von seinem Schatten von Gefolgsmann.
Aral und Vortala kamen aus der Bibliothek. Aral ging ins Foyer und blickt verstimmt durch die geschliffenen Glasscheiben, die die Tür flankierten, hinaus in die Dunkelheit. Vortala legte beschwichtigend die Hand auf seinen Arm.
»Lassen Sie ihn gehen«, sagte Vortala, »wir können auch ohne seine Stimme morgen leben.«
»Ich habe nicht vor, auf der Straße hinter ihm herzurennen«, versetzte Aral. »Trotzdem … nächstes Mal sparen Sie bitte Ihren
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