Barrayar
Zeit der Isolation, und die Stadterneuerung hat dort noch nicht begonnen. Wasser ist dort knapp, es gibt keine Elektrizität, die Gegend erstickt förmlich im Müll …«
»Am meisten im menschlichen Müll«, fügte Piotr bissig hinzu.
»Arm?«, sagte Cordelia verblüfft. »Keine Elektrizität? Wie kann die Gegend dann ans Kommunikationsnetzwerk angeschlossen sein?«
»Ist sie natürlich nicht«, antwortete Vorkosigan.
»Wie bekommen dann die dort ihre Ausbildung?«
»Gar nicht.«
Cordelia machte große Augen. »Ich verstehe das nicht. Wie bekommen dann die Leute dort ihre Jobs?«
»Ein paar fliehen in den Militärdienst. Die restlichen rauben sich größtenteils gegenseitig aus.« Vorkosigan schaute sie voller Unbehagen an. »Habt ihr auf Kolonie Beta keine Armut?«
»Armut? Na ja, einige Leute haben natürlich mehr Geld als andere, aber … keine Kommunikationskonsolen?«
Vorkosigan war jetzt von seiner Befragung abgelenkt. »Ist das der niedrigste Lebensstandard, den du dir vorstellen kannst, wenn man keine Kommunikationskonsole hat?«, sagte er verwundert.
»Der erste Artikel in der Verfassung lautet: ›Der Zugang zu Informationen darf nicht beschränkt werden.‹«
»Cordelia … diese Leute haben kaum Zugang zu Nahrung, Kleidung und Unterkunft. Sie haben ein paar Lumpen und Kochtöpfe, und sie nisten sich in Gebäuden ein, deren Renovierung oder Abriss sich noch nicht lohnt, während der Wind durch die Mauerritzen pfeift.«
»Gibt es dort keine Klimaanlagen?«
»Keine Heizung im Winter ist da das größere Problem.«
»Das denke ich mir. Hier bei euch gibt es ja keinen wirklichen Sommer … Wie rufen sie Hilfe herbei, wenn sie krank oder verletzt sind?«
»Was für eine Hilfe?«, sagte Vorkosigan grimmig. »Wenn sie krank sind, dann werden sie entweder wieder gesund oder sie sterben.«
»Sie sterben, wenn wir Glück haben«, murmelte Piotr, »die Würmer.«
»Macht ihr Witze?« Sie schaute abwechselnd Vater und Sohn an. »Das ist ja schrecklich … also, denkt an all die Begabungen, die euch da verloren gehen.«
»Ich bezweifle, dass uns da viele verloren gehen, von der Karawanserei«, bemerkte Piotr trocken.
»Warum nicht? Sie haben das gleiche genetische Potential wie ihr«, wies Cordelia auf das hin, was ihr einleuchtend erschien.
Der Graf erstarrte. »Mein liebes Mädchen! Das haben sie auf jeden Fall nicht! Meine Familie gehört sein neun Generationen zu den Vor.«
Cordelia hob ihre Augenbrauen: »Wie weißt du das, wenn ihr vor achtzig Jahren noch keine Gentypisierung hattet?«
Der Wachkommandant und der Diener nahmen einen eigentümlich starren Gesichtsausdruck an. Der Diener biss sich auf die Lippe.
»Außerdem«, fuhr sie mit ihrer Argumentation fort, »wenn ihr Vor nur halb soviel Erfolg hattet, wie die Geschichten andeuten, die ich gelesen habe, dann müssen neunzig Prozent der Bewohner dieses Planeten inzwischen Vor-Blut in sich haben. Wer weiß, wer eure Verwandten auf der väterlichen Seite sind?«
Vorkosigan biss zerstreut in seine Leinenserviette, sein Gesichtsausdruck erstarrte wie bei dem Diener, und er murmelte: »Cordelia, du kannst doch nicht … also wirklich, du kannst nicht hier am Frühstückstisch sitzen und andeuten, meine Vorfahren seien Bastarde gewesen. Das ist hierzulande eine tödliche Beleidigung.«
Wo sollte ich denn sitzen? »Oh, das werde ich vermutlich nie verstehen. Ach, mach dir nichts draus. Was ist mit Koudelka und Bothari?«
»Ganz recht. Fahren Sie fort, Kommandant.«
»Jawohl, Sir. Also, Sir, sie waren, wie man mir sagte, auf dem Rückweg, etwa eine Stunde nach Mitternacht, als sie von einer Bande lokaler Schläger überfallen wurden. Offensichtlich war Leutnant Koudelka zu gut gekleidet, und außerdem hat er diesen Gang und den Stock … jedenfalls hat er die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Ich kenne die Details nicht, Sir, aber es gab vier Tote und heute früh wurden drei ins Krankenhaus eingeliefert, abgesehen von denen, die davonkamen.«
Vorkosigan pfiff leicht durch die Zähne. »Welche Verletzungen haben Bothari und Koudelka?«
»Sie … ich habe keinen offiziellen Bericht, Sir. Ich weiß es nur vom Hörensagen.«
»Dann sagen Sie schon.«
Der diensthabende Offizier schluckte leicht. »Sergeant Bothari hat einen Arm gebrochen, einige Rippen gebrochen, innere Verletzungen und eine Gehirnerschütterung. Leutnant Koudelka hat beide Beine gebrochen und eine Menge … hm … Schockbrandwunden.« Seine Stimme verlor
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