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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Dorn aus. Versonnen senkte der Kobold den Steiß und ließ den Schwanz rotieren, dann bohrte sich der Dorn in die polierte Tischplatte wie ein Messer in ein Stück Butter. Der Kobold schritt gemessen über den ganzen Tisch, zog den Schwanz durch das Holz und zersägte die Tischplatte der Länge nach. Underwood fielen fast die Augen aus dem Kopf. Lovelace schmunzelte.
    »Ein Familienerbstück, Arthur?«, fragte er. »Dacht ich’s mir doch.«
    Kurz bevor der Kobold am anderen Tischende angekommen war, klopfte es plötzlich. Die beiden Männer drehten sich um und der Kobold erstarrte mitten in der Bewegung. Mrs Underwood kam mit einem voll beladenen Tablett herein.
    »Hier kommt der Tee«, verkündete sie. »Und ein bisschen Gebäck. Arthurs Lieblingsgebäck, Mr Lovelace. Ich stelle einfach alles hierhin, wenn’s recht ist.«
    Wortlos sahen die beiden Zauberer und der Kobold zu, wie sie zum Tisch ging und das schwere Tablett behutsam in Underwoods Nähe abstellte. Dann nahm sie in der bedrückenden Stille eine große Porzellankanne herunter (der für sie unsichtbare Kobold musste ein Stück zurückweichen), zwei Tassen, zwei Untertassen, zwei Teller, eine Etagere mit Teegebäck und etliche Teile ihres besten Bestecks. Der Tisch bog sich sichtbar unter dem Gewicht und knarrte leise.
    Mrs Underwood nahm das Tablett wieder auf und lächelte den Besucher an. »Bitte bedienen Sie sich, Mr Lovelace. Sie können ein paar Pfündchen mehr auf den Rippen gut vertragen.«
    Unter ihrem aufmerksamen Blick nahm sich Lovelace ein Stück Gebäck von der Etagere. Die Tischplatte bebte. Lovelace lächelte gezwungen.
    »So ist’s recht. Wenn ihr Nachschub braucht, ruft mich einfach.« Mit dem Tablett unterm Arm rauschte Mrs Underwood wieder hinaus. Die beiden Männer sahen ihr nach.
    Die Tür schloss sich.
    Wie auf Befehl wandten sich die beiden Zauberer und der Kobold wieder dem Tisch zu:
    Mit einem knarzenden Knall gab der letzte Span, der die Holzplatte noch zusammengehalten hatte, nach. Das ganze Tischende knickte ab und krachte zu Boden, samt Teekanne, Tassen, Untertassen, Tellern, Besteck und der Etagere mit dem Gebäck. Der Kobold rettete sich mit einem Satz neben den Trockenblumenstrauß auf den Kaminsims.
    Es folgte eine kurze Stille.
    Simon Lovelace ließ seinen Keks in das Durcheinander auf dem Boden fallen. »Was ich mit diesem Holztisch machen kann, kann ich auch mit einem Holzkopf machen, Arthur«, bemerkte er.
    Arthur Underwood starrte ihn an. Dann sagte er dumpf: »Das war meine beste Teekanne.«
    Er stieß drei schrille, hohe Pfiffe aus. Ein tiefer, dröhnender Antwort-ruf erscholl und aus den Fliesen vor dem Kamin stieg ein vierschrötiger, blaugesichtiger Troll. Underwood machte eine Handbewegung und pfiff noch einmal. Der Troll setzte zum Sprung an, drehte sich und landete auf dem kleinen Kobold, der sich hinter die Blumenköpfe verkrochen hatte. Er packte ihn mit seinen fingerlosen Pfoten und zerquetschte ihn, ohne sich um den peitschenden Sägezahnschwanz zu kümmern. Die Materie des Kobolds verformte sich wie Wachs. Im Handumdrehen war er – samt Schwanz – zu einer gelblichen, matschigen Kugel zusammengedrückt. Der Troll rollte die Kugel glatt, warf sie in die Luft, sperrte das Maul auf und schluckte sie hinunter.
    Underwood wandte sich nach Lovelace um, der alles mit verkniffenem Mund beobachtet hatte.
    Ich muss gestehen, dass mich der alte Zausel verblüffte – so eine gute Vorstellung hätte ich ihm nicht zugetraut. Allerdings hatte es ihn offenbar sehr angestrengt, den Troll zu beschwören, sein Nacken war schweißnass.
    Auch Lovelace war das nicht entgangen. »Ich gebe Ihnen noch eine Chance«, knurrte er. »Sie erstatten mir auf der Stelle mein Eigentum zurück, oder ich werde richtig ungemütlich. Zeigen Sie mir Ihr Arbeitszimmer!«
    »Kommt nicht infrage!« Underwood war außer sich vor Wut und Überanstrengung und hörte nicht auf die Stimme der Vernunft.
    »Wie Sie wollen.«
    Lovelace strich sich das gegelte Haar zurück und murmelte ein paar Worte. Das Zimmer mit allem, was darin war, bebte und begann zu flimmern. Die hintere Wand fing an, sich aufzulösen. Sie wich immer weiter zurück, bis man sie nicht mehr erkennen konnte. Wo sie gewesen war, öffnete sich ein schier endloser Gang. Ganz hinten am anderen Ende tauchte eine Gestalt auf. Sie bewegte sich auf uns zu und wurde rasch größer, doch sie lief nicht, sondern schwebte, ohne die Beine zu bewegen.
    Underwood schnappte nach Luft, taumelte

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