Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand
betreffenden Gegenstand und hätte ihn natürlich gern zurück.«
»Natürlich. Glauben Sie, dass der Widerstand…?«
»Und deshalb bin ich zu Ihnen gekommen, Underwood…«, sagte Lovelace langsam. Er wählte seine Worte sorgfältig und näherte sich dem entscheidenden Punkt mit Bedacht. Vielleicht hoffte er sogar jetzt noch, Underwood nicht offen beschuldigen zu müssen. Zauberer nehmen es mit dem, was sie sagen, sehr genau. Auch wenn die Situation angespannt ist, kann ein unbedachtes Wort großen Schaden anrichten. Doch der Ältere ging nicht auf die Andeutung ein.
»Sie können jederzeit auf meine Unterstützung zählen«, erwiderte Underwood ruhig. »Diese Diebstähle sind wirklich eine Plage. Wir wissen seit geraumer Zeit, dass es einen Schwarzmarkt für gestohlene Utensilien gibt. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass durch ihren Verkauf Gelder beschafft werden sollen, mit denen sich die Widerstandsbewegung finanziert. Wir haben ja gestern gesehen, zu welchen Ausschreitungen so etwas führen kann.« Underwoods Augenbrauen hoben sich in leiser Belustigung. »Ich muss allerdings gestehen«, fuhr er fort, »ich bin überrascht, dass ausgerechnet bei Ihnen eingebrochen wurde. Die meisten Diebstähle in jüngster Zeit betrafen – darf ich offen sprechen? – eher unbedeutende Zauberer. Es heißt, die Diebe seien überwiegend Jugendliche, sogar Kinder. Ich hätte gedacht, dass Ihre Sicherheitsvorkehrungen dafür ausreichen.«
»Durchaus«, knurrte Simon Lovelace mit zusammengebissenen Zähnen.
»Glauben Sie denn, dass dieser Diebstahl etwas mit dem Attentat im Parlament zu tun hat?«
»Moment.« Lovelace hob die Hand. »Ich habe Grund zu der Annahme, dass der Diebstahl meines… des betreffenden Gegenstandes nicht das Werk des so genannten Widerstands ist, sondern dass ein Kollege seine Finger im Spiel hat.«
Underwood runzelte die Stirn. »Ach ja? Wie kommen Sie darauf?«
»Weil ich weiß, wer den Diebstahl ausgeführt hat. Er hört auf den unschönen Namen Bartimäus. Ein Dschinn der mittleren Kategorie, große Klappe, aber nicht viel dahinter. 74
(Wer an dieser Stelle die Ohren gespitzt hätte, hätte vernehmen können, wie jemand vor Wut einen Spinnfaden an die Decke abfeuerte. Zum Glück war der Kobold vollauf damit beschäftigt, Underwood einzuschüchtern, indem er seinen starren Gesichtsausdruck unmerklich änderte, und war für alles andere blind und taub.)
Nichts Besonderes. Jeder Trottel hätte ihn beschwören können. Das heißt, jeder trottelige Zauberer– selbstverständlich kein Gewöhnlicher.«
»Und trotzdem«, sagte Underwood sanft, »ist dieser Bartimäus mit Ihrem guten Stück entkommen.« 75
(Mit einem Mal verspürte ich Zuneigung für den alten Esel. Allerdings war sie nur von kurzer Dauer. Ich wollte es nur erwähnt haben. )
»Er ist ein totaler Stümper! Er hat sogar seine Identität preisgegeben!« Lovelace beherrschte sich nur mit Mühe. »Nein… nein, Sie haben Recht. Er ist entkommen.«
»Wissen Sie, wer ihm den Auftrag erteilt hat?«
Lovelace’ Brillengläser blitzten. »Tja, Arthur, deshalb habe ich Sie aufgesucht. Genau darüber wollte ich mit Ihnen sprechen.«
Es entstand eine kurze Pause, in der sich Underwoods Gehirnzellen bemühten, einen Zusammenhang herzustellen. Schließlich hatten sie es geschafft. Auf Underwoods Gesicht spiegelten sich in rascher Folge die verschiedensten Gefühle, bis schließlich eine eisige, ausdruckslose Miene die Oberhand gewann. Die Temperatur im Zimmer fiel um einige Grade.
»Tut mir Leid«, sagte Underwood sehr ruhig. »Was sagten Sie eben?«
Simon Lovelace beugte sich vor und stützte beide Hände auf den Esstisch. Seine Fingernägel waren sorgfältig manikürt. »Arthur«, sagte er, »dieser Bartimäus war in den letzten Tagen ziemlich leichtsinnig. Erst heute Morgen hat er im Tower von London gesessen – weil er Pinns Laden am Piccadilly überfallen hat.«
Underwood zuckte erstaunt zusammen. »Ach, von diesem Dschinn sprechen Sie? Wie… Woher wissen Sie das? Angeblich hat man doch seinen Namen nicht herausbekommen… Und außerdem… außerdem ist er heute Nachmittag entkommen…«
»Allerdings.« Lovelace ging nicht auf Underwoods Frage ein. »Nach seiner Flucht haben ihn meine Späher… ausfindig gemacht. Sie sind ihm quer durch London gefolgt… bis zurück zu Ihrem Haus.« 76
(Hoppla. Das hörte sich ja an, als hätte Lovelace damit gerechnet, dass ich Faquarl entwischte. Offenbar hatte er rund um den Tower seine
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