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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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hörte und mein durchnässter, schmutzstarrender und schauderhaft stinkender Herr und Meister die Treppe heraufgewankt kam. Er hinterließ eine Schlammspur (ich hoffte jedenfalls, dass es bloß Schlamm war), schleppte sich wie eine riesige Schnecke die Stufen zu unserem Quartier im ersten Stock empor und ließ sich vor der Wand auf den Hintern plumpsen. In einer Anwandlung von wissenschaftlicher Neugier entfachte ich eine kleine Zauberflamme und inspizierte ihn eingehend. Zum Glück war ich an Höllengnome und dergleichen gewöhnt, denn er bot keinen schönen Anblick. Er sah aus, als hätte ihn jemand am Kragen gepackt, durch eine stinkende Jauchegrube oder einen miststarrenden Schweinestall geschleift und ihn anschließend kopfüber in einen Komposteimer getaucht. Sein Haar stand ab wie Stachelschweinborsten, seine Jeans war zerrissen und an einem Knie blutig. Auf der Wange hatte er einen großen Bluterguss und über dem Ohr eine üble Schnittwunde und als i-Tüpfelchen funkelten seine Augen fuchsteufelswild.
    »Haben Sie einen schönen Abend verlebt, Sir?«, fragte ich.
    »Feuer«, fauchte er zurück. »Mach Feuer. Mir ist eiskalt.«
    Dieser anmaßende Befehlston klang aus dem Munde eines Geschöpfes, das sogar ein Schakal verschmäht hätte, ein wenig unpassend, aber ich widersprach nicht. Dafür fand ich das alles viel zu amüsant. Deshalb sammelte ich ein Häufchen Holz, entfachte ein wärmendes Feuerchen und setzte mich (als Ptolemäus) neben ihn – wegen des Gestanks allerdings in gebührendem Abstand.
    »Hey«, sagte ich aufgekratzt, »das ist ja mal ’ne nette Abwechslung. Sonst ist es immer der Dschinn, der total erledigt und von oben bis unten verdreckt zurückkommt. Für solche Neuerungen bin ich immer zu haben. Wieso bist du überhaupt rausgegangen? Haben dich Lovelace’ Leute hier drin aufgespürt? Oder hat dir Jabor einen Besuch abgestattet?«
    Er antwortete langsam und mit zusammengebissenen Zähnen: »Ich wollte eine Zeitung kaufen.«
    Das wurde ja immer besser! Ich schüttelte mitleidig den Kopf. »Solche gefährlichen Unternehmungen solltest du Berufeneren überlassen. Bitte nächstes Mal lieber ein altes Mütterchen oder ein kleines Kind um den Gefallen.«
    »Schnauze!« Seine Augen sprühten vor Zorn. »Es war der Zeitungsjunge von heute früh! Und sein Freund Fred! Zwei Gewöhnliche! Sie haben mir meine selbst gemachte Scheibe abgenommen und mich von hier weggelockt. Ich bin mitgegangen. Dann haben sie versucht, mich umzubringen, und das hätten sie auch gemacht, wenn das Mädchen nicht…«
    »Mädchen? Was für ein Mädchen?«
    »…aber trotzdem hab ich mir ganz schlimm den Kopf angeschlagen und bin in eine Pfütze gefallen, und als sie dann weg waren, hab ich nicht mehr zurückgefunden und es war schon Sperrstunde und die Suchkugeln waren unterwegs und ich musste mich andauernd verstecken. Und irgendwann hab ich eine Brücke über einen Bach gefunden und da drunter hab ich stundenlang im Schlamm gelegen und oben auf der Straße sind die Kugeln die ganze Zeit hin und her geflogen, und als sie endlich weg waren, wusste ich immer noch nicht, wie ich wieder zurückkomme. Ich hab ewig gebraucht! Und außerdem hab ich mir auch noch das Knie aufgeschürft.«
    Na ja, Shakespeare war das zwar nicht gerade, aber die beste Gutenachtgeschichte, die ich seit langem gehört hatte. Sie heiterte mich richtig auf.
    »Die beiden Jungen gehören zum Widerstand«, fuhr er fort und stierte dabei ins Feuer. »Da bin ich hundertprozentig sicher. Sie wollen meine Scheibe verkaufen – an dieselben Leute, die hinter dem Anschlag auf das Parlament stecken! Aaah!« Er ballte die Fäuste. »Warum bist du nicht da gewesen und hast mir geholfen? Dann hätte ich sie mir schnappen können… und hätte sie gezwungen, mir zu sagen, wer ihr Anführer ist.«
    »Darf ich dir in Erinnerung rufen«, bemerkte ich kühl, »dass ich in deinemAuftrag unterwegs war. Was war das für ein Mädchen, von dem du eben geredet hast?«
    »Keine Ahnung. Ich hab sie nur ganz kurz gesehen. Offenbar hat sie das Sagen in der Clique. Aber eines Tages finde ich sie und dann zeig ich’s ihr!«
    »Hast du nicht eben gesagt, sie hätte die anderen davon abgehalten, dich umzubringen?«
    »Trotzdem hat sie mir meine Scheibe weggenommen! Sie ist eine Diebin und Verräterin.«
    Was immer das Mädchen noch sein mochte, sie kam mir sehr bekannt vor. Ich hatte plötzlich eine Eingebung. »Woher wussten die beiden Jungen überhaupt, dass du die Scheibe

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